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Meister-Gaudi am Millerntor

Wie schon im vergangenen April trifft der FC St. Pauli im DFB-Pokal erneut auf Bayern München. Doch die Vorzeichen haben sich geändert: An eine Pokalsensation glaubt dieses Mal niemand

VON MARCO CARINI

Es gibt kein Klischee, das vor diesem Spiel nicht bemüht wird und sei es nur, um gleich wieder infrage gestellt zu werden. David gegen Goliath oder Kult gegen Kommerz lauten da nur die handelsüblichsten Plattitüden. Doch die Pokalpartie des Regionalligisten FC St. Pauli gegen den Rekordmeister Bayern München ist für die Anhänger des Kiez-Clubs vor allem eines: Ein großes Fußballfest. Es könnte das letzte für lange Zeit werden.

Erinnerungen werden wach, wenn Bayern ans Millerntor kommt. Erinnerungen etwa an Februar 2002, als die Braun-Weißen ihr einjähriges Bundesliga-Gastspiel nutzten, um die Müncher Bayern so überraschend wie verdient mit einer 1:2-Niederlage nach Hause zu schicken. Die T-Shirts mit dem Aufdruck „Weltpokalsiegerbesieger“ waren geboren und zieren – etwas ausgebleicht – noch heute die Brust manches Fans, der damals dabei war oder es gerne gewesen wäre.

Frischer ist die Erinnerung an den 11. April dieses Jahres, als St. Pauli nach überraschenden Siegen gegen Burghausen, Berlin und Bremen, gegen die Bayern, um den Einzug in das DFB-Pokalfinale stand, das der Kiez-Club in seiner 96-jährigen Geschichte noch nie erreicht hat. In einem großen Kampfspiel, das über 12 Millionen Zuschauer am Bildschirm verfolgten, ging der Regionalligist erst in den letzten Spielminuten deutlich mit 0:3 unter – ein Raus mit Applaus nach einer großen Pokalsaison.

Fünf Monate später steht die Neuauflage des Pokalknüllers unter anderen Vorzeichen. Zwar ist das Fernsehen erneut anwesend, und spült dem Verein so viel Geld in die Kasse, dass dieser nun endlich schuldenfrei ist. Doch anders als nach den Siegen gegen Herta BSC und Werder Bremen träumt rund um die Reeperbahn diesmal niemand von einer Pokalsensation. Es geht nicht um den Finaleinzug und die Mannen vom Millerntor sind sportlich aus dem Tritt. Statt auf einem angestrebten Aufstiegsplatz stehen sie in Liga drei nur auf Rang 14, eine Position von der Abstiegszone entfernt.

Immerhin kann Trainer Andreas Bergmann vermelden, dass die ellenlange Liste gesperrter und verletzter Spieler sich langsam lichtet: Luz, Takyi, Boll oder Brückner können erstmals nach längerer Pause wieder auf einen Einsatz hoffen. Während bei St. Pauli der am Freitag für ein Jahr verpflichtete Torhüter Timo Reus möglicherweise seinen Einstand gibt, fehlt im Bayern-Tor der gesperrte Oliver Kahn.

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