: Romantische Egomanin
Die Gebrüder Dubini erzählen in ihrem Dokumentarfilm „Hedy Lamarr – Secrets of a Hollywood Star“ die bewegte Lebensgeschichte der österreichischen Hollywood-Schauspielerin Hedy Lamarr
VON CLAUDIA LENSSEN
Die Brüder Dubini porträtieren gern Größen des letzten Jahrhunderts, deren glamouröses Scheitern exemplarisch ist. Ihre Filme handeln von weiblicher Unabhängigkeit, von Spannungen zwischen amerikanischer und europäischer Popkultur und von den kulturellen Bedingungen des technologischen Fortschritts. Fosco und Donatello Dubini haben Filme über die tragische Jean Seberg gemacht, über die Incognito-Existenz von Thomas Pynchon, über den Atomspion Klaus Fuchs, und sie haben die Zentralasien-Expedition von Annemarie Schwarzenbach in den Dreißigerjahren in „Die Reise nach Kafiristan“ nacherzählt.
„Hedy Lamarr – Secrets of a Hollywood Star“ – realisiert mit Barbara Obermaier – passt wie ein rätselhaftes objet trouvé in diese Galerie. Es geht um eine exzentrische Schönheit, die für ihren Hollywood-Ruhm bezahlte und als emigrierte Wienerin nie mit der amerikanischen Gesellschaft zurechtkam. Lamarr entwickelte ein System zur Funksteuerung von U-Boot-Torpedos, das sie im Zweiten Weltkrieg der US-Marine schenkte. Die Handy-Technologie funktioniert heute mit diesem „Channel-Hopping“-System. Hedy Lamarr blieb eine romantische Egomanin, die sechs Ehen mit mächtigen Männern führte. Am Ende starb sie allein in einem Resort in Florida. In fünfundzwanzig Filmen verkörperte sie eine durchgestylte sinnliche Verheißung in einem verklemmt puritanischen Umfeld. Später scheiterte sie als unabhängige Produzentin, brachte sich durch inszenierte Ladendiebstähle ins Gespräch und sicherte ihren Lebensabend mit dem erfolgreichen Kampf um Lizenzrechte gegen eine Internetfirma, die mit ihrem Bild im Netz geworben hatte. Lamarr war weder nur Opfer noch Gewinnerin, sie wusste um die Kluft zwischen Image und Ego.
1914 als Hedwig Kiesler geboren und in einer großbürgerlichen jüdischen Familie aufgewachsen, wurde sie 1933 mit einem Schlag durch Gustav Machatýs Film „Ekstase“ berühmt, ein psychologisches Ehebruchsdrama, in dem sie beim Baden im See nackt zu sehen war. (Die einsetzende, antisemitisch aufgeladene Zensurgeschichte ist vom Film Archiv Austria in dem Buch „Ekstase“ anschaulich aufgearbeitet worden.) Sie heiratete Fritz Mandl, einen berüchtigten Waffenhändler und jüdischen „Austrofaschisten“ – wie ihn der grandios erzählende Lamarr-Kenner Hans Janitschek im Film bezeichnet – und Bruder des Berliner Großfilmproduzenten Joe May. 1937 entkam die schöne „Trophäe“ aus dem Haus ihres Gatten, floh nach London, traf Louis B. Mayer, schloss einen der üblichen Knebelverträge mit dem MGM-Boss und erreichte wenig später die USA bereits unter dem neuen Namen Hedy Lamarr. Vermutlich trug sie im Koffer geheime Papiere von Mandl mit sich, die ihr zu ihrer technischen Erfindung verhalfen.
Herzstück des Films sind die Starfotos der Lamarr, die wie bei anderen Idolen auch von der monströsen Zurichtung weiblicher Schönheit erzählen. Mit Mittelscheitel, dunklem Schmollmund und gerundeten Augenbrauen sollte sie Madonna und Sünderin zugleich sein. Leider wurden die Bilder mit digitalem Solarisationseffekt monochrom eingefärbt, was wie ein kunstgewerblicher Verfremdungstrick wirkt.
Im einzigen Interview mit Hedy Lamarr, einem Fundstück aus den Siebzigerjahren, spricht eine unterm Chirurgenmesser straff gespannte Larve anrührend über ihre Fremdheit in Amerika und ihren Rückzug in die sensible Wahrnehmung der Welt. Eine Episode wirft ein Schlaglicht auf die Brutalität hinter der Star-Existenz: Lamarr brachte 1941 heimlich einen unehelichen Sohn zur Welt, den sie unter dem Namen ihres damaligen Ehemanns adoptierte – üblich waren damals vom Studio verordnete Abtreibungen. Warum Lamarr den Kontakt zu ihren drei Kindern verlor, was es mit ihrer Lust auf Erfindungen auf sich hatte, weshalb sie nicht in ihre geliebte Heimatstadt zurückreiste: vieles bleibt Geheimnis, macht jedoch Lust, mehr über diese Frau zu erfahren.
„Hedy Lamarr – Secrets of a Hollywood Star“, Regie: Donatello und Fosco Dubini. CH/D/CDN 2006, 85 Min.
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