: Der liebe Kai hat Recht
„Zeit“-Chef Giovanni di Lorenzo hat zwar seine eigene Zeitung nicht gelesen, bedauert das aber immerhin sehr
Auch wenn das Landgericht Hamburg es anders sieht: Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo steht weiter hinter der Entscheidung, den Namen von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann aus einem Zeit-Beitrag über das Selbstverständnis von Journalisten und die öffentliche Rolle von Chefredakteuren zu streichen.
Der Medienwissenschaftler Siegfried Weischenberg hatte nach der Bundestagswahl 2005 in der Zeit geschrieben und in diesem Zusammenhang auch Kai Diekmann erwähnt.
Der Bild-Chef hatte sich darauf persönlich an Giovanni di Lorenzo gewandt, um seinen Namen aus der Liste zu streichen, und auch gegen Autor Weischenberg auf Unterlassung geklagt. Während die Zeit dem Ansinnen des scheuen Chefredakteurs umgehend nachkam – der Name Diekmann findet sich bis heute nicht mehr in der entsprechenden Passage der Online-Version des Zeit-Artikels –, hatte das Landgericht bereits am 1. September Diekmanns Klage in erster Instanz in allen Punkten abgewiesen (taz berichtete).
„Die Tatsache, dass die Zeit sich vor und nach dem Artikel von Herrn Weischenberg kritisch mit Kai Diekmann und der Bild-Zeitung auseinandersetzt, heißt ja nicht, dass Kai Diekmann nicht auch mal Recht haben kann“, sagte di Lorenzo der taz. Er halte die umstrittenen Passagen weiter für „unglücklich und missverständlich“ und hätte den entsprechenden Absatz komplett gestrichen. Wer allerdings für das Löschen von Diekmanns Namen verantwortlich ist, muss weiter offen bleiben – di Lorenzo sagt, er sei es nicht persönlich gewesen. Auch andere der in Weischenbergs Artikel erwähnten Chefredakteure von Stefan Aust (Spiegel) bis Hellmut Markwort (Focus) hätten sich bei ihm gemeldet und sich „verwundert“ gezeigt, so di Lorenzo. Dass sie ebenfalls in der von Diekmann monierten Passage erwähnt wurden, „war mir neu“, sagt der Zeit-Chef. Er überlege nun, auch ihre Namen noch aus dem Text zu entfernen.
„Wenn man über die TV-Präsenz von Chefredakteuren schreibt, hätte auch die Zeit nicht ausgeklammert werden dürfen“, sagt der „3 nach 9“-Talkshow-Moderator di Lorenzo. Zur Bundestagswahl sei er außerdem selbst in seiner Funktion als Zeit-Chefredakteur bei Johannes B. Kerner im ZDF aufgetreten. Auch deswegen habe der Weischenberg-Text „auf die Chefredakteurskollegen befremdlich“ gewirkt. Di Lorenzo rechtfertigt auch die Praxis, dass bei der Zeit Texte zu Medienthemen generell der Chefredaktion zum Gegenlesen vorzulegen sind – was allerdings im Falle Diekmann (di Lorenzo: „Lieber Kai … Ich bedauere das sehr“) unterblieben war. Diese Übung habe schließlich schon sein Vorgänger Theo Sommer eingeführt – Sommer habe mit Blick auf den langjährigen ehemaligen Vorstandschef von Gruner + Jahr gesagt, er „wolle nicht von Schulte-Hillen unter der Dusche erwischt werden“.
Siegfried Weischenberg war am Wochenende nicht für eine Reaktion zu erreichen. STG
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