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DER REGIERUNGSWECHSEL IN SCHWEDEN HAT WENIG FOLGEN FÜR DIE EUKein Signal für Euroskeptiker

Wenn es in einem europäischen Land einen Regierungswechsel gibt, werden davon gerne weitreichende Auswirkungen auf die Zukunft des Kontinents abgeleitet. Das war so, als europaweit die Sozialdemokraten im Aufwind waren und man Europa schon auf dem dritten Weg à la Blair und Schröder sah. Und als einige Jahre später Parteien von rechts und halbrechts Land für Land zurückeroberten, wähnte man am Horizont ein konservatives Europa heraufziehen. Nun, da Schwedens Sozialdemokraten nach über zehn Jahren abgewählt wurden, gibt es ähnliche Prognosen: Europaskeptische rechte Parteien in Italien oder Großbritannien würden sich die Hände reiben. Denn ihre Position sei durch den Erfolg der traditionell EU-kritischen schwedischen Rechten gestärkt, glauben sie.

Die Realität ist freilich eine andere. Zum einen sind in Schweden irgendwie alle Sozialdemokraten, und die Politik des künftigen Ministerpräsidenten Reinfeldt wird vermutlich „linker“ sein, als es die Tony Blairs je war. Zum anderen aber hat die schwedische Zentrumspartei sich von einer Gruppierung, die den EU-Beitritt des Landes ablehnte, zu einer proeuropäischen entwickelt. Zwar spielte Europa im Wahlkampf keine Rolle, weil man mit diesem Thema in Schweden – wie übrigens auch in Deutschland – keine Wahlen gewinnen kann. Tatsächlich jedoch wird vor allem in Unternehmerkreisen nachgedacht, ob man jetzt nicht eine Neuauflage des Euro-Referendums anstreben sollte.

Für die Zukunft der EU heißt dies vor allem: TV-Zuschauer werden auf den kameraverliebten abgewählten Premier Persson verzichten müssen, der im Unterschied zu seinen Kollegen immer bereit war, schon vor Beginn eines EU-Gipfels dessen Ausgang zu kommentieren. Entscheidend für die Zukunft der EU sind aber nicht solche Regierungswechsel. Wirklich entscheidend war das Nein der Franzosen und Niederländer zur EU-Verfassung: Es hat die Frage aufgeworfen, wozu diese Union überhaupt noch gebraucht wird, und zu einer Renationalisierung der Politik ihrer Mitgliedstaaten geführt – ganz egal, ob sie nun von Sozialdemokraten oder Konservativen regiert werden. SABINE HERRE

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