piwik no script img

GESUNDHEITSREFORM: DIE LÄNDER KÖNNEN NICHT MEHR BREMSENMerkel reichte selbst den Dolch

Man kennt das: Das Geflecht aus widerstreitenden Interessen und einander blockierenden Institutionen ist unentwirrbar. Deshalb konnten viele Pläne nicht verwirklicht werden, die – wechselnde – Bundesregierungen und das Parlament für richtig hielten. Die Spitzen der Koalition erwecken nun den Eindruck, dass sich das trübe Schauspiel gerade ein weiteres Mal bei der geplanten Gesundheitsreform wiederholt. Dieser Eindruck ist falsch.

Die Föderalismusreform ist zwar weit hinter vielen Erwartungen zurückgeblieben, aber einiges hat sie doch verändert im Land. Zum Beispiel dieses: Sollte die Gesundheitsreform in der bisher geplanten Form vom Bundestag verabschiedet werden, dann können die Ministerpräsidenten der Länder zwar ihre Meinung dazu sagen. Viel mehr aber auch nicht. Die Kernpunkte des Gesetzes wären nicht zustimmungspflichtig. Deshalb ist alles Geschwätz von einem möglichen Verfahren im Vermittlungsausschuss nur genau das: Geschwätz.

Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass die große Koalition unter Führung der Bundeskanzlerin große Angst vor dem bisschen eigener Courage hat – die Debatte der letzten Tage hätte ihn erbracht. Nun ist Angst ja nicht immer unbegründet, und die Erfinder der Gesundheitsreform haben in der Tat gute Gründe, ihre Kritiker zu fürchten. Selten ist das Urteil von Fachleuten ganz unterschiedlicher Couleur so einmütig vernichtend gewesen wie in diesem Fall. Deshalb ist es gewiss nützlich, wenn Sachverständige jetzt noch einmal einen Blick auf die Pläne werfen.

Die Begründung dafür – nämlich der wachsende Widerstand der Länderfürsten – ist jedoch unsinnig. Selbstverständlich muss die Kanzlerin auch Rücksicht auf ihre Parteifreunde nehmen. Deshalb werden normalerweise Parteigremien im Vorfeld von Koalitionsentscheidungen eingebunden. Das gelingt nicht immer. Interne Gegner sind stets dankbar für Gelegenheiten zu Palastrevolten. Aber Angela Merkel hat ihnen den Dolch auch noch gereicht, indem sie sich ohne Not einschüchtern ließ. Das gefährdet ihre Position mehr, als irgendein Rivale es könnte. BETTINA GAUS

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen