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„Ich habe das Gefühl, die spielen mit uns“

Er darf nicht arbeiten, kein Girokonto eröffnen, nicht heiraten und nicht reisen. Er ist einer von rund 180.000 geduldeten Flüchtlingen in Deutschland. Zum Tag des Flüchtlings lässt die taz den 18-jährigen Aladdin aus Hannover zu Wort kommen

VON KAI SCHÖNEBERG

Mein Name ist Aladdin. Ich bin gerade 18 Jahre alt geworden, 16 davon lebe ich hier. Wir kamen 1989 nach Deutschland, weil mein Vater politisch verfolgt wurde. Da waren ich und mein Zwillingsbruder gerade ein Jahr und ein paar Monate alt. Ich habe noch zwei Geschwister, neun und 13 Jahre alt, die in Deutschland geboren sind. Ich gehe hier zur Schule und habe hier Freunde – und somit habe ich mich auch hier integriert. Oder? Ich bin eigentlich wie Ihr. Aber Ihr seid anders: Ihr dürft arbeiten, eine Ausbildung anfangen. Dabei spreche ich besser Deutsch als manche von Euch. Eigentlich will ich Anwalt werden.

Im Grundgesetz steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Ich war nie kriminell. Aber: Ich darf kein Girokonto eröffnen. Ich darf keinen Handyvertrag abschließen. Ich darf nicht heiraten. Ich darf noch nicht einmal in ein anderes Land reisen. Ich kenne nur Deutschland, nur Niedersachen. Letztlich nur Hannover, den Rest der Welt aus Büchern, dem Fernsehen, dem Internet oder Erzählungen meiner Freunde. Ich bin ein Mensch. Doch hier werde ich wie ein Hund sinnlos von hier nach da geschickt.

Ich besuche gerade die 11. Klasse der Fachoberschule, in zwei Jahren habe ich mein Fachabitur – und dann? Nach der derzeitigen Rechtslage droht mir die Abschiebung. Im Wahlkampf gab es überall Plakate mit dem Slogan „Weil Hannover Kinder mag“. Die Kinder sind unsere Zukunft. Habe ich kein Recht auf eine Zukunft?

Ich habe kein Recht auf eine deutsche Staatsangehörigkeit oder auf einen Aufenthaltstitel. Das einzige, das mich von einem Deutschen unterscheidet, ist ein Stück Papier. Das ist die Duldung, die die Abschiebung nur verschiebt.

Wir haben jetzt unsere Pässe bei der syrischen Botschaft beantragt, weil es das Ordnungsamt so wollte. Ich war vor ein paar Wochen da. Sie sagten, sobald unsere Pässe hier sind, müssten wir ausreisen. Wenn wir das nicht wollen, würden wir abgeschoben. Sie wollen mich in die Grausamkeit schicken: ohne Arbeit dort, ohne ausreichende Arabischkenntnisse. Das macht mir Angst. Ich habe ja keinen Bezug zur syrischen Kultur, ich bin doch nur dort geboren.

Ich fühle mich, als wäre ich Deutscher. Und ich frage mich: Wie lange soll das hier noch so weiter gehen? Im November wollen die Innenminister nach jahrelanger Diskussion eine Bleiberechtsregelung beschließen. Fragt sich nur, welche. Zur Zeit ist es so, dass wir – wie 180.000 andere geduldete Flüchtlinge in Deutschland – nicht arbeiten dürfen. Gleichzeitig wirft man uns vor, dass wir den Staat belasten. Ich wollte vor kurzem auf 400 Euro-Basis bei McDonalds nebenbei arbeiten, um noch etwas dazu zu verdienen. Das Ordnungsamt hat das nach drei Monaten Wartezeit abgelehnt. Ich habe das Gefühl, die spielen mit uns.

Es gibt Vorschläge auch aus der CDU, dass Eltern mit schulpflichtigen Kindern hier bleiben dürfen. Das wäre vielleicht gut für uns heute. Aber was passiert mit den Erwachsenen ohne Kinder in der Schule, mit Alten, mit Kranken, Behinderten oder vom Krieg Traumatisierten, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind? Sie werden abgeschoben. Wahrscheinlich genau wie die Eltern, die mehrere Asylanträge gestellt haben, damit sie und ihre Kinder hier bleiben können. Und: Was passiert mit den Flüchtlings-Eltern, deren Kinder nicht mehr in der Schule sind? Wie sollen die, die jahrelang nicht arbeiten durften, künftig in wenigen Wochen eine verbindliche Zusage für einen Job vorlegen können?

Aladdin Al-Doueiri macht gerade ein Betriebspraktikum in einer Apotheke. Heute um 11 Uhr erzählt er vor Schülern im Stadthagener Kulturzentrum Alte Polizei über sein Leben. Mehr über Aladdin und seinen Bruder auf der Homepage ihrer gemeinsamen Rap-Band: www.habibi-bruder.de.vu

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