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Made in Taiwan

Arbeiterführer Jürgen Rüttgers: Vor der Belegschaft des insolventen Handyherstellers BenQ spart Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident nicht mit Kapitalismuskritik – erntet aber Skepsis

AUS KAMP-LINTFORTALEXANDER FLORIÉ

Schwarzer Politiker vor rotem Grund: Dass Jürgen Rüttgers einmal so sehnsüchtig von Gewerkschaftsfunktionären erwartet worden wäre, hätte er wohl nicht für möglich gehalten. Mit seiner Wirtschaftsministerin Christa Thoben im Schlepptau trat der NRW-Ministerpräsident gestern vor die Belegschaft des Kamp-Lintforter Werkes der Handyfirma BenQ, deren deutsche Tochter sich gestern auch offiziell für insolvent erklärt hatte. Rund 500 der 1.600 Beschäftigten warteten auf den Christdemokraten, der gemeinsam mit dem nordrhein-westfälischen IG-Metall-Bezirkschef Detlef Wetzel und dem Landeschef der oppositionellen SPD, Jochen Diekmann, an den Niederrhein gekommen war.

Rüttgers, selbst ernannter „Chef der nordrhein-westfälischen Arbeiterpartei“, sparte nicht an Kritik an der taiwanesischen BenQ-Zentrale: „Ich bin wütend, dass man so mit Ihnen umgegangen ist und traurig, dass Verhaltensweisen und Manieren eingerissen sind, die es in den letzten Jahren so nicht gegeben hat.“ Die Landesregierung sei solidarisch mit der Belegschaft: „Wir stehen an Ihrer Seite.“ Das Vorgehen des Handyriesen, der die Werke Kamp-Lintfort und Bocholt wie die Münchener Verwaltung erst im vergangenen Jahr vom Elektrokonzern Siemens übernommen hatte, sei eine „Riesensauerei“. Man müsse die Spielregeln hinterfragen, „wie wir in Zukunft in Europa produzieren wollen“. Er habe nicht vergessen, „dass das einmal ein Werk von Siemens gewesen ist.“ Auch der deutsche Elektrokonzern habe deshalb eine moralische Verantwortung für den Erhalt der Arbeitsplätze.

Die Landesregierung werde die Insolvenzankündigung des Unternehmens so nicht hinnehmen. „Es soll sich keiner täuschen: Wir werden kämpfen . Wir wollen eine Lösung für dieses Problem. Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz, um Ihren Arbeitsplatz in Kamp-Lintfort.“

Hinter verschlossenen Türen sprach Rüttgers dann mit der Werksleitung und Gewerkschaftern eine Stunde lang über die Möglichkeiten zur Bewältigung der Krise. Das deutsche Management wolle die Werke weiterbetreiben, betonten er und der Metaller Wetzel danach: Jetzt müsse mit Kunden, Zulieferern, neuen Interessenten geredet werden. Außerdem werde die Landesregierung prüfen, ob der Verkaufsdeal zwischen Siemens und BenQ juristisch anfechtbar sei. Schließlich seien 2004 auch öffentliche Gelder geflossen, man müsse sehen. „Wo ist das Know How geblieben ? In Taipeh?“, fragte IG-Metall Bezirkschef Detlef Wetzel sarkastisch.

Die Belegschaft reagierte skeptisch. „Wenn die alles halten würden, was sie sagen“, meinte ein Mitvierziger. „Eine Zusage für Gelder wäre schöner gewesen“, sagte eine Arbeiterin. Das wäre ein wichtiges Zeichen der Solidarität gewesen, so auch der IG-Metall-Bevollmächtigte Ulrich Marschner. Und SPD-Bürgermeister Christoph Landscheidt verwies auf den drohenden Verlust weiterer Jobs: „Die Zukunft von BenQ und der Bergbau gehören in Kamp-Lintfort zusammen. Im Landtag hat Rüttgers gestern vom Ende der Steinkohle geredet – dabei liegt das Bergwerk West direkt gegenüber.“

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