: Lust am Monstern
Rendite oder Rocksaum? In David Frankels Komödie „Der Teufel trägt Prada“ gibt Meryl Streep die fiese Chefredakteurin eines New Yorker Modemagazins, Anne Hathaway ist die naive Assistentin
von HARALD FRICKE
Mode interessiert sich nicht für Menschen, nur für ideale Maße. Wer in Kleidergröße 36 passen will, muss eben hungern. Und wenn niemand länger als eine halbe Stunde auf den handspannhohen Pfennigabsätzen von Jimmy Choo stehen kann, dann ist es umso schlimmer für die Wirklichkeit der Füße und kein Fehler des Schuhwerks. Insofern ist der Teufel, der Prada trägt, die Mode selbst: Jede Saison unterwirft sie Heerscharen von Frauen (und Männern) ihrem Diktat aus absolutem Stilwillen und körperlicher Formvollkommenheit.
Der Teufel ist in David Frankels Fashion-Komödie dann aber doch eine reale Frau. Als Chefredakteurin des Modemagazins Runway hat es Miranda Priestly in der Hand, ob eine neue Kollektion in die Tonne gehört oder auf die Must-have-Liste der High Society. Die Allmachtsfantasie muss Meryl Streep gefallen haben: Lange schon ist niemand mehr so in der Rolle des Biests aufgegangen. Wie sie ihre Angestellten mit Blicken taxiert und zu wandelnden Kleiderständern herabwürdigt, wie sie von ihrer Sekretärin totalen Gehorsam verlangt und im Gegenzug kaum ein Lächeln aufbringt – stets bleibt Streep abgeklärt und mit einigem Understatement nur einen Tick unterhalb der Schwelle, an der Ironie aufhört und wahre Boshaftigkeit beginnt.
Keine Frage, Streep hat Lust am Monstern. Womit sie letztlich der Falle entgeht, bloß perfekt als menschlicher Vorführeffekt zu agieren, nach dem Motto: Voilà, so verrückt sind die neoliberalen Soziopathen des Zeitschriftengeschäfts, die Schwestern von Tina Brown und Co. Dagegen wird Miranda in ihrer Unberechenbarkeit als Chefin für ihre Entourage ja gerade berechenbar: Jeder ist ständig auf der Hut, daraus ergibt sich ein tolles Spiel aus Schleichen, Mobbing und anderen Schlichen innerhalb von Hierarchien, das der gegen alle Launen resistente Art Director (Stanley Tucci) mit müdem Spott kommentiert, als wäre er Skapin am Hofe der Fashionista.
Privat geht derweil die Ehe kaputt, weil Miranda daheim nicht einfach ihren Führungsstil ablegen kann wie ein eng geschnürtes Kleid. Dass dieses Gefangensein in den Verhältnissen weder gallig wird noch ins Lächerliche umkippt, zeugt davon, wie genau Regisseur Frankel heutige Führungskräfte studiert hat. Alles geschieht en passant, hier eine skeptisch gerunzelte Augenbraue, dort eine gezielte Überheblichkeit; dazu der schnell fließende New Yorker Zungenschlag, der schon bei der TV-Serie „Sex & The City“ prägend war, für die Frankel einige Folgen gedreht hat. „That’s all“, diese kurze Formel, die Streep mit mattem Seufzer ans Ende jedes ihrer Monologe setzt, wird zum Singsang der Unantastbarkeit. Wer Effizienz will, kennt keine Widerrede.
Der Film will beides: Zeitgeist einfangen und doch ganz woanders hin. Im Kern ist es ohnehin eine unverfängliche und schnell wegerzählte Aufstiegsgeschichte. Frisch von ihrer Midwestern-Universität ins Pressemekka nach New York gewechselt, muss Andy Sachs (Anne Hathaway) die Erfahrung machen, dass akademische Belesenheit als kulturelles Kapital nicht für eine Karriere ausreicht. Mindestens genauso wichtig sind: Gucci-Sonnenbrillen, Chanel-Kostüme, Prada-Stöckel und Kentnisse über die Herren Dolce & Gabbana – zumindest, wenn man es bei einem Modemagazin schaffen will.
Bald zeigt „Der Teufel trägt Prada“, wie sich Andy einübt auf dem Medienmarkt. In hübsch collagierten Bildschnitten vollzieht sie den Wandel vom schmuddeligen Studentenlook zum perfekten Großstadt-Styling, ebenso rasch rückt sie auch von ihrer Clique und ihrem strubbeligen Liebhaber Nate (Adrian Grenier) ab, wenn die Arbeit es verlangt. Ja, der Weg ist das Ziel. Deshalb braucht Andy eine Lehrmeisterin: Diszipliniert durch und durch lebt Miranda ihren Job bis zur Selbstaufgabe. Jede Härte, die sie ihren Angestellten abverlangt, hat sie auf ihrem Weg nach oben am eigenen Leib durchmachen müssen. Deshalb wundert man sich nicht, wenn Miranda plötzlich doch einmal mit etwas Milde der jungen Nachwuchskraft begegnet, weil sie sich erinnert – so wird ihr eigener Werdegang gewesen sein, als rebellische Intellektuelle in den Sixties.
Diese Nähe bleibt hinter der Fassade wohl verborgen. Schließlich geht es um Mode, mithin um Oberflächen, Inszenierungen, auch um Fake. So ist Andy nur scheinbar überrascht, als sie von Miranda das Angebot erhält, mit zur Fashion Week nach Paris zu reisen; und als sie ein Verhältnis mit einem gut gebauten und smart antichambrierenden Bilderbuch-Intellektuellen anfängt, könnte der Film ein Happy Ending nehmen. Oder wie es bei Bret Easton Ellis in „Glamorama“ heißt: the better you look the more you see.
Und wie aufregend wäre es dann erst gewesen, wenn „Der Teufel trägt Prada“ Ernst gemacht hätte mit dem Blick auf die Modebranche. Wenn der Film gezeigt hätte, wie sich in den letzten Jahren aus einem Stelldichein an Extravaganz lauter solide, weltweit expandierende Unternehmen gebildet haben, die eher auf Rendite als auf einen gewagten Rocksaum achten. Chanel, Dior und D & G – von der Avantgarde zum Global Player? Diese Entwicklung macht allerdings auch exaltierte Zeitschriftendiven wie Miranda überflüssig: Wo erst einmal in den Strukturen von Corporate Identities gedacht wird, da stirbt auch der gute, weil exquisite Geschmack.
Dass Frankel diese nackten Fakten des Betriebs nicht böser bloßstellt, sondern lieber moralisierend einknickt und Andy sich für ein Leben als gut recherchierende Lokalzeitungsmaus entscheiden lässt, das tut dann schon etwas weh. Zumal sie sich als zukünftiger Teufel im Prada-Dress ziemlich gut gemacht hat. Vielleicht nicht aus menschlicher Sicht, wohl aber wegen der schön proportionierten Maße.
„Der Teufel trägt Prada“, Regie: David Frankel. Mit Meryl Sreep, Anne Hathaway u. a., USA 2005, 109 Min.
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