: Let’s talk Bad English
Mein Vater war Volksschüler; die Englisch-Abschlussprüfung bestand damals daraus, dass die Schüler eine Bahnhofshalle beschreiben sollten. Suitcases, children, the train is coming. Solche Sachen. Er hat das schnell wieder verlernt. Seine Bezugsgruppe spricht Deutsch.
Europa blieb fern, auch wenn die Menschen mal im selben Haus wohnten: Ein polnischer Gastschüler. Oder Rumäninnen, die zum Weltjugendtag angereist waren. Mein Vater erfuhr nicht, was sie beschäftigt, die Rumäninnen nicht, was mein Vater dachte. Die Grenzen des Bewusstseins verlaufen dort, wo es keine Sprache mehr gibt.
Meinem Vater bleibt eine Heimat verschlossen, die ich längst habe. Seine Unsicherheit beginnt am „Brennero“. Er möchte seit Jahren mit der Transibirischen Eisenbahn fahren. Aber er tut es nicht, weil er Angst hat, dass ihn niemand versteht. Er könnte auch nicht mit den Dänen, Italienern, Tschechen, die er in der Fremde trifft, eine europäische Waggonheimat schaffen. Er würde sprachlos neben ihnen sitzen.
Ob ich mich auf Deutsch oder Englisch unterhalte, macht für mich keinen großen Unterschied. Dabei ist mein Englisch nicht besonders gut. Aber die Italiener, Schweden, Letten und ich, wir haben eine Sprache gefunden, die funktioniert, in Brüssel, Belgrad oder Berlin. Es ist Bad Englisch. Die Lingua Europaea. Niemand von uns weiß, ob die Grammatik stimmt, schwierige Wörter fehlen, aber sie verstehen mich und ich verstehe sie – besser als jeden Muttersprachler. Vielleicht fällt es den Engländern auch deshalb so schwer, sich mit Europa anzufreunden. Die Aussichten für das elaborierte Englisch sind eher schlecht.
Man sagt, dass 80 Prozent der englischen Sätze aus den häufigsten 200 Wörtern gebildet werden. Darunter sind laut Uni Leipzig Wörter wie the, years, people, now, work und don’t.
Hey, people! Bad English is easy. Really. Not much work. Vielleicht klappt es auch noch bei meinem Vater. STEFFI UNSLEBER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen