DORIS AKRAP LEUCHTEN DER MENSCHHEIT: Sudoku in der inneren Burg
Du sollst lieber nicht den Rest deines Lebens mit Nachdenken über andere Menschen verzetteln, mahnte der römische Kaiser Marc Aurel. Das Glück im Leben hänge nur von den eigenen Gedanken ab. Mit den „Ermahnungen an sich selbst“ wollte der Philosophenkaiser eine „innere Burg“ errichten. Er redete sich selbst gut zu, versuchte nur seiner inneren Stimme zu folgen und sich nicht vom Geschwätz anderer Leute ablenken zu lassen.
Diese Selbstdisziplinierung trägt mittlerweile wissenschaftliche Weihen und heißt Hirnforschung. Häufiges Meditieren und andere Konzentrationsübungen fördern ihr zufolge Wachstum und Leistungsfähigkeit des Gehirns. Das mag stimmen, doch wer geht schon regelmäßig joggen, bevor er Bierbauch und Hüftspeck ansetzt? Eben! Und genauso verhält es sich auch mit dem Gehirnjogging. Nur wem nichts mehr einfällt, kommt auf die Idee, Sudoku zu spielen. Frank Schirrmacher, auch nicht mehr so jung, wie er mal war, hält das Internet für Teil einer Verblödungsmaschine und hat nun im Blessing-Verlag ein Gegenmittel herausgegeben, das Buch: „Gehirntraining. Über die Benutzung des Kopfes“. Die immer blöder werdende Jugend ist in Schirrmachers Vorwort das eine Thema, das andere, die Sorge darüber, im Alter immer blöder zu werden. Marc Aurel muss man zugute halten, dass er sich erst in seinen letzten Jahren, die er auf Schlachtfeldern und in Feldlagern verbrachte, um sich selbst Sorgen machte. In so einer Situation zu Denksportaufgaben zu greifen, ist verständlich. Aber warum sollte sich ein Jugendlicher heute in der inneren Burg einmauern, um dort Altersvorsorge in Form von Sudoku zu betreiben? Einen klugen Kopf würde ich einen solchen Jugendlichen nicht nennen.
■ Die Autorin ist Kulturredakteurin der taz Foto: Privat
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