Kein Kommentar!: Zehn-tau-send Euro!
Familien müssen zusammenhalten. Derzeit unternimmt ProSiebenSat.1 alles, um das schwarze Schaf der Sendersippe, den Quizkanal 9Live, zu integrieren.
Wenn man lange nichts von den Ex-„Big-Brother“-Kandidaten Jürgen Milski und Alida-Nadine Lauenstein (ehemals Kurras) gehört hat, dann ist das nicht etwa Zufall, sondern Resultat einer durchaus beabsichtigten Vermeidungsstrategie, die sich darauf gründet, dass man den sogenannten Quizsender 9Live, bei dem beide moderieren, auf eine der Fernbedienungstasten programmiert hat, die man niemals erreicht, ohne vorher umständliche Knopfkombinationen gedrückt zu haben. Das hilft jetzt auch nichts mehr. Denn seit ein paar Wochen lässt es sich selbst als Zuschauer des nicht ganz so nervigen Senders ProSieben nur schwer vermeiden, Jürgen und Alida aus dem Weg zu zappen.
Kürzlich haben sie sich beim ProSieben-„Ochsenrennen“ über die Rennpiste schleifen lassen, danach saßen sie bei Stefan Raab in „TV total“, um anzukündigen, dass sie am Wochenende drauf als Kanonenfutter für dessen „Stock Car Crash Challenge“ engagiert wurden, und zum Ende der Werbepausen vor 22 Uhr erscheinen bei ProSieben neuerdings regelmäßig 9Live-Moderatoren in bunten Pappkulissen, wedeln mit einseitig bedrucktem Papierspielgeld und versprechen: „Bei 9Live können Sie mit einem einzigen Anruf und der richtigen Lösung zehn-tau-send Euro gewinnen! Dieses Geld geht heute garantiert noch raus! Vielleicht an Sie! Zehn-tau-send Euro – bei ‚Vegas‘, gleich auf 9Live.“
So viel „Transaktionsfernsehen“ hat man lange nicht mehr gesehen, wenn man eigentlich kein „Transaktionsfernsehen“ sieht. ProSieben ist da keine Ausnahme, auch auf den anderen Kanälen der ProSiebenSat.1-Gruppe laufen die Umschaltaufforderungen, und wenn man tatsächlich rüberschaltet, beschleicht einen dieses ungute Gefühl, dass bei 9Live alle rund um die Uhr beschwipst sind, um das ganze Hotbutton-Theater und die vielen effektlosen Countdowns zu ertragen, die es braucht, bis ein paar hundert Euro unter die Zuschauer gebracht wurden. Es kann nicht besonders gut laufen bei dem Quizsender, wenn der es durchgesetzt hat, dass sich die großen Sender ihr Programm durch die Trailer zerschießen lassen müssen, die so gar nicht zu deren Edeloptik passen. Wie groß der Effekt ist, verrät man in München freilich nicht. Ist ja klar: Die Moderatoren müssen weiter so tun, als rufe auch bei den simpelsten Rätseln kein Schwein an.
„Heute sind die Zehn-tau-send rausgegangen, was sagste dazu?“, hat 9Live-Moderator Martin Scholz seine Schichtablöse vergangene Woche gefragt, der antwortete mit einem breiten Grinsen „Wie immer, oder?“ Dann haben die beiden laut losgelacht.
PEER SCHADER
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