: Kritischer Künstler Ai Weiwei unter Hausarrest
CHINA Regierung will Feier gegen Studioabriss verhindern. Sie reagiert wegen des Friedensnobelpreises für Liu Xiaobo immer nervöser
AUS PEKING JUTTA LIETSCH
Der international bekannte Aktionskünstler Ai Weiwei steht seit gestern Mittag in Peking unter Hausarrest. Die Behörden wollen verhindern, dass er den erzwungenen Abriss seines Schanghaier Studios mit einem großen Happening feiert. „Heute Mittag kamen zehn Polizisten zu mir. Sie erklärten, dass ich meine Wohnung nicht verlassen und nicht zu meiner eigenen Party fahren darf“, berichtete Ai erzürnt der taz am Telefon. „Sie haben mir meine Bewegungsfreiheit genommen.“
Zu der Party hatte der 53-Jährige vor wenigen Tagen per Twitter eingeladen: „Am 7. November ist Flusskrabbenfest im Schanghaier Studio von Ai Weiwei.“ Den Gästen würden unter anderem Tausende Flusskrabben serviert werden. Der Twitter-Aufruf schreckte die Regierung auf, denn das Wort „Flusskrabbe“ ist unter Künstlern, Autoren und Bürgerrechtlern in China ein Codewort für „Zensur“ geworden. Auf Chinesisch wird es genauso wie das von der Regierung immer wieder beschworene Wort „Harmonie“ ausgesprochen, das als Rechtfertigung für Zensur und Verbote dient. Das Fest sollte in einem Gebäude stattfinden, das Ai in diesem Jahr nach eigenen Angaben mit offizieller Genehmigung gebaut hat, das nun aber als „illegal“ deklariert wurde und abgerissen werden soll.
Die Nervosität der Funktionäre hängt offenkundig mit einem anderen Dissidenten zusammen. Nach der Ankündigung, den Friedensnobelpreis in diesem Jahr dem inhaftierten Bürgerrechtler Liu Xiaobo zu verleihen, ist das politische Klima eisiger geworden. Pekings Diplomaten in Oslo versuchten in den letzten Tagen, andere Länder unter Druck zu setzen. Sie sollten, so hieß es, die Preisverleihung am 10. Dezember boykottieren.
Die Botschafter mehrerer europäischer und anderer Staaten erhielten Briefe, die vor einer Teilnahme an der Feier in Norwegen warnten. Vor Journalisten erklärte Vizeaußenminister Cui Tiankai gestern in Peking, jeder Regierungsvertreter, der zur Preisverleihung nach Oslo gehe, müsse die „Konsequenzen“ tragen. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin erklärte, es gebe keinen Grund, von der langjährigen Praxis der Teilnahme eines Vertreters abzuweichen.
Die chinesische Botschaft in Berlin verschickte derweil einen unter Pseudonym verfassten Kommentar an deutsche Medien, der das norwegische Nobelkomitee beschuldigte, den Preis zu politisieren und sich in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen. Wer universelle Menschenrechte höher bewerte als die Souveränität der Staaten, „gefährdet nur den Frieden und die Menschenrechte“, heißt es.
Offenbar aus Sorge, dass es am 10. Dezember unter einigen Chinesen Freudenfeiern geben könnte, kontrollieren Polizisten Bürgerrechtler und Internet-Autoren schärfer als bisher und blockierten in einigen Fällen Handys und Internet. In einigen Zeitungen Chinas erschienen Artikel, die Liu Xiaobo vorwarfen, die Regierung destabilisieren zu wollen, unpatriotisch zu sein und für Geld Artikel geschrieben zu haben, die in ausländischen Medien veröffentlicht wurden.
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