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portraitVom Bauernhof an die Spitze des Staats

Sie gilt schon länger als Kronprinzessin hinter Grünen-Parteichef Alexander Van der Bellen. Jetzt soll Eva Glawischnig eine der mächtigsten Frauen der österreichischen Republik werden – als dritte Präsidentin des Nationalrats. Erstmals steht den Grünen dieser Posten zu, weil sie bei den Parlamentswahlen zur drittstärksten Kraft wurden.

Eine typische Vertreterin der grünen Spezies ist die 37-jährige Glawischnig allerdings nicht. Sie kommt weder aus sozialdemokratischem noch bürgerlichem Hause, sondern wuchs in einer national gesinnten Familie auf einem Bauernhof am Millstätter See in Kärnten auf. Ehrgeizig soll sie aber schon als Kind gewesen sein.

Dennoch begann ihr Werdegang mit zwei Niederlagen: Bei der Aufnahmeprüfung an der Jazz-Hochschule in Graz fiel das Musiktalent durch. Und als sie 1996 bei den Wiener Landtagswahlen erstmals für die Grünen kandidierte, setzte es eine Schlappe. Dazwischen lag eine kurze Karriere bei der Umweltorganisation Global 2000.

Umwelt blieb ihr Kernthema, zunächst im Wiener Landtag, und nach dem Sprung in den Nationalrat 1999 auch im Parlament. Die energische Juristin, die ihre Doktorarbeit über grenznahe Atomkraftwerke abgab, verschrieb sich vor allem dem Kampf gegen das tschechische AKW Temelín. Aber auch gegen das Macho-Gehabe mancher Mandatsträger trat sie offensiv auf. Andreas Khol, damals ÖVP-Fraktionschef, prägte das Wort von der „wunderschönen Marxistin“.

Dass sich die Medien mehr mit ihrem guten Aussehen und ihrem bauchfreien Brautkleid befassen als mit ihrer Politik, erzürnt die Feministin. Die Hochzeit mit Sportmoderator Volker Piesczek im Vorjahr und die Geburt von Sohn Benjamin im Frühling hätte sie lieber ohne TV-Kameras gefeiert.

Die Babypause fiel kurz aus. Zu wichtig ist der Vize-Parteichefin die Politik. Und Glawischnig kann bereits auf einige Erfolge zurückblicken. Im Verfassungskonvent vor zwei Jahren, der an der geringen Reformbereitschaft der Großparteien und der Bundesländer scheiterte, profilierte sie sich als Streiterin für mehr Transparenz und Demokratie. In ihrer Kärntner Heimat schaffte sie es vor zwei Jahren, dass die Grünen erstmals die nur in diesem Bundesland bestehende 10-Prozent-Hürde nahmen.

Es gilt als ausgemacht, dass sie Nachfolgerin Van der Bellens wird, wenn sich der 62-jährige Professor zurückzieht. Vielleicht gelingt ihr dann, was den Grünen bisher verwehrt blieb: die Regierungsbeteiligung. Die Pragmatikerin schließt auch eine Koalition mit der ÖVP nicht grundsätzlich aus. 11 Prozent wie bei der jüngsten Wahl reichen dafür aber nicht. RALF LEONHARD

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