Ehrenbürgers Fall

DAILY DOPE Radsportler Alberto Contador, dreimal Sieger der Tour de France, muss sich nun doch für seine positiven Dopingproben vor einem Sportgericht in Spanien verantworten

„Für mich wird Alberto Contador immer der Toursieger 2010 bleiben“

ANDY SCHLECK, TOUR-ZWEITER 2010

VON ANDREAS RÜTTENAUER

„Der Triumph von Alberto Contador ist der Sieg der Rechtschaffenheit, der Aufopferung, der Anstrengung und der harten und täglichen Arbeit.“ Mit diesen Worten würdigte Juan Jose Martin, der Bürgermeister der Gemeinde Pinto bei Madrid Alberto Contador und machte den Sohn des Ortes zum Ehrenbürger. Keine zwei Wochen ist das her. Da war längst bekannt, dass während der Tour de France in des späteren Siegers Blut das Dopingmittel Clenbuterol gefunden wurde. Contador war daraufhin suspendiert worden. Seit Montag ist nun endlich amtlich, dass es einen Fall Contador gibt. Die Internationale Radsportunion UCI beauftragte den spanischen Verband mit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den 27-Jährigen. Sollte ein Dopingvergehen festgestellt werden, droht Contador eine zweijährige Sperre sowie die Aberkennung des Toursiegs.

In der Sporttageszeitung Marca machte der Präsident des spanischen Radsportverbandes Carlos Castana schon einmal deutlich, auf wessen Seite er steht. „Ich würde mir wünschen, dass der Fall gut ausgeht“, sagte er und meinte damit: im Sinne Contadors. Drei Monate hat die Disziplinarkommission des Verbands nun Zeit, den Fall zu beurteilen. Für Castano ist das viel zu wenig Zeit. In der Tat gibt es als Beweismittel nicht nur die A- und B-Probe vom zweiten Ruhetag der Tour de France, als geringe Mengen der verbotenen Substanz Clenbuterol gefunden wurden, das Sportler schätzen, weil es bei der Gewichtsreduzierung hilft, ohne die Muskelmasse zu beeinflussen. Es wird auch um die Spuren von Weichmachern gehen, die in einer anderen Probe nachgewiesen wurden und die darauf schließen lassen, dass Contador sich konserviertes Blut aus einem Kunststoffbeutel hat verabreichen lassen. Und dann gilt es noch nachzuprüfen, wie glaubhaft Contadors Aussagen sind. Der behauptet, verunreinigtes Rindfleisch gegessen zu haben, und kann sogar die Rechnung eines Metzgers vorweisen, bei dem der Koch seines Teams das Fleisch besorgt haben soll. Clenbuterol ist als Kälbermastmittel sehr effektiv, in der EU allerdings verboten. Aus einer Pressemitteilung des Weltverbandes geht zudem hervor, dass die UCI gemeinsam mit von der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada akkreditierten Wissenschaftlern weitere Blut- und Urinanalysen vorgenommen haben. Die werden nun dem spanischen Verband übermittelt.

Befürchtungen die Disziplinarkommission des spanischen Verbandes werde sich nicht zu einem Urteil gegen Contador durchringen können, sind durchaus nicht unberechtigt. Gegen Alejandro Valverde, dem in Italien nachgewiesen worden ist, dass er Kunde des Blutdoping-Gurus Eufemiano Fuentes war, wollten die Spanier partout kein Verfahren eröffnen. Dagegen zog die UCI vor das internationale Sportschiedsgericht Cas in Lausanne, das in einem wegweisenden Urteil höchstselbst eine Sperre von zwei Jahren für Valverde festgesetzt hat. Mit spanischer Rückendeckung allein wird Contador eine Sperre also nicht verhindern können.

Zudem beobachtet die Wada den Fall äußerst genau. Die in den letzten Jahren eher im Hintergrund wirkende Organisation ist vergleichsweise laut geworden, als ruchbar wurde, die UCI versuche den Fall heimlich, still und leise im Sande verlaufen zu lassen. Wada-Generaldirektor David Howman wunderte sich doch sehr über die Aussage von UCI-Präsident Pat McQuaid, der in der spanischen Tageszeitung El País mit den Worten zitiert wurde: „Es wird keinen Fall Contador geben. In einigen Tagen legen wir die Angelegenheit zu den Akten.“ Howman sagte, auch wenn nur sehr wenig Clenbuterol in Contadors Blut gefunden worden sei, „bedeutet das nicht, dass nicht gedopt wurde“. Nun arbeiten UCI und Wada gemeinsam an der Klärung der Dopingvorwürfe.

In der Radsportszene selbst will sich keiner so recht gegen den bald vielleicht nur noch zweifachen Toursieger stellen, dessen Initialen A. C. einst auch auf einer Kundenliste von Eufemiano Fuentes standen. Bjarne Riis, Chef des Rennstalls Saxo Bank, für den Contador ab nächster Saison fahren soll, sagte, er glaube nicht, dass der Spanier gedopt habe. Riis, der 1996 die Tour vollgepumpt mit Epo gewonnen hat, sagte dies auf einer Promo-Veranstaltung für seine demnächst erscheinenden Erinnerungen. Darin gibt er zu, in seiner Karriere bis zu 134.000 Euro für Dopingmittel ausgegeben zu haben.

Auch einer von Contadors großen Konkurrenten wünscht dem Verdächtigen einen Freispruch. Der Luxemburger Andy Schleck, den Contador bei der Tour nur knapp geschlagen hat, fühlt sich nicht wohl in der Rolle als möglicher Nachrücker auf Platz eins der Gesamtwertung. „Ich will die Tour auf der Straße gewinnen“, meinte er und fügte hinzu: „Für mich wird Contador immer der Toursieger 2010 bleiben.“ Thor Hushovd, der Weltmeister, richtet indes einen kritischen Blick auf Spanien. Der norwegische Sprinter kann nicht verstehen, dass einer, der unter Dopingverdacht steht, zum Ehrenbürger gemacht wird: „Ich hoffe, dass so etwas in Norwegen nicht möglich wäre.“