: Gut betreut im eigenen Schaukelstuhl
In der ersten Senioren-WG im Bremer Süden werden Demenzkranke in vertrauter Umgebung gepflegt
Gelbe Wände, ein brauner Esstisch, in der Zimmerecke ein gemütliches Sofa: eigentlich ein normales WG-Wohnzimmer. Seine künftigen Bewohner sind aber längst keine Studenten mehr: Hier, mitten in Huchting, liegt die erste Senioren-WG im Bremer Süden. „In einer häuslichen Atmosphäre sollen pflegebedürftige demenzkranke Menschen gemeinsam leben und betreut werden“, sagt Stefan Loch, Geschäftsführer des Bremer Stiftungsservice, einer Tochter der Bremer Heimstiftung. Die Heimstiftung hat das Projekt gemeinsam mit der Wohnungsgesellschaft Gewoba entwickelt und umgesetzt.
Für die Wohngemeinschaft wurden vier Wohnungen zusammengelegt: Auf insgesamt 240 Quadratmetern sollen künftig acht Senioren leben. Alle sollen möglichst aus dem Kiez kommen und in vertrauter Umgebung umsorgt werden. Gestern ist bereits die erste Mieterin eingezogen. Ihre Möbel brachte sie mit, ihr alter Schaukelstuhl steht jetzt im neuen Zimmer. „So lange Platz ist, soll jeder mitbringen, was ihm am Herzen liegt“, sagt Loch.
Das Interesse am neuen Wohnangebot im Bremer Süden ist groß: „Anfragen gibt es bereits einige“, sagt Alexander Künzel, Chef der Heimstiftung. Geworben hätten die Initiatoren kaum: „Vorher war ja nichts zum Zeigen da. Nun da alles fertig ist, können wir Interessenten die Räume vorführen.“ Wer möchte, kann auch in einem Gästezimmer probewohnen.
Bekocht und umsorgt werden die Senioren zunächst von zwei Hauswirtschaftskräften, die pflegerisch geschult sind. Bei Bedarf käme eine Extrakraft ins Haus. Zusätzlich kommt ein ambulanter Pflegedienst vorbei. „Es wird eine 24-Stunden-Betreuung geben“, so Künzel. Ein Service, mit dem viele pflegende Angehörige zuhause überfordert wären. „Verwirrte Menschen brauchen sehr viel Aufmerksamkeit: Sie haben oft den Drang, wegzulaufen.“ Ziel sei aber auch, Angehörige und Nachbarn mit einzubinden. „Sie sollen Leben ins Haus bringen – wir liefern den Grundstock dafür.“ Denkbar seien Koch- und Spielabende, Ausflüge und vieles mehr. Über die Verwendung der Haushaltskasse entscheiden alle gemeinsamen.
An Komfort soll es den WGlern nicht fehlen. Dafür wurden eine geräumige Küche, altengerechte Bäder ohne Schwellen, breitere Türen und eine Rollstuhlrampe vor der Tür eingebaut. „Unsere Bewohner sollten noch mobil sein. Sie müssen aber keinesfalls ausziehen, wenn sie irgendwann bettlägerig werden,“ so Loch.
Ein Wehmutstropfen sind die Kosten für die Rundumbetreuung: Sie betragen etwa 1.000 Euro monatlich. Hinzu kommen die individuellen Leistungen für die Pflege und Krankenkassen. Das werden sich nur Wohlhabendere leisten können. „Sozialhilfeempfänger haben das Geld nicht“, sagt Loch. Dies sei besonders für den Stadtteil Huchting schade: Hier gebe es viele Bedürftige. „Derzeit suchen die Träger aber nach einer Lösung, um auch weniger Betuchten den Einzug zu ermöglichen.“
Ein ähnliches Wohngemeinschafts-Projekt gibt es bereits in der Neustadt. Die Gewoba kann sich zudem weitere Wohngemeinschaften vorstellen: „Der Bremer Osten könnte es gut vertragen“, sagt Mitarbeiter Ulrich Gaulke. Auch im Viertel sowie in Walle und Arbergen sind WGs geplant.
GESA SCHÖLGENS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen