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„Die Studenten haben zu viel Angst“

AUSLANDSSTUDIUM Bachelor- und Masterprogramme sollten es Studierenden leichter machen, international zu studieren. Doch bisher hat sich deren Mobilität nicht erhöht. Ein Problem ist die verkürzte Regelstudienzeit

Ein Auslandsaufenthalt wird in den Studienplänen überhaupt nicht bedacht

VON MARINA WETZLMAIER

Der Studienbetrieb ist lahmgelegt. Stattdessen sind die Studierenden auf der Straße und demonstrieren für bessere Bedingungen an den Universitäten. Oder sie sitzen in den Hörsälen, die sie besetzt haben, und diskutieren über Studiengebühren und Bologna. Das war im Vorjahr, als über Monate bundesweite Proteste die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Universitäten gelenkt haben.

Dass diese nun verebbt sind, heißt dennoch nicht, dass alle Sorgen beseitigt sind. Die Umstellung der Studienpläne auf das Bachelor-Master-System bereitet vielen Universitäten in Deutschland noch immer Probleme. Vor allem wenn es um Auslandsaufenthalte der Studierenden geht. Dabei hätte gerade das Auslandsstudium durch die Universitätsreform gefördert werden sollen.

„Die Ziele der Bologna-Konferenz sind deutlich verfehlt worden“, sagt Dietmar Buchmann, der Koordinator des europäischen Mobilitätsprogramms Erasmus an der Humboldt-Universität (HU) Berlin. 1999 trafen sich in der italienischen Universitätsstadt Bologna 30 europäische Bildungsminister, um die Schaffung eines gemeinsamen Hochschulraums einzuleiten.

Nur 15 Prozent im Bachelor-Studium gehen ins Ausland

Ziel dieser Bologna-Erklärung ist es beispielsweise, den Studienaufenthalt im Ausland unkomplizierter zu gestalten. Mit der Einführung des Bachelor- und Masterstudiums sollen die Studienprogramme der europäischen Hochschulen angeglichen werden. Sie können so besser miteinander verglichen werden, und die Studierenden sollen keine Probleme mehr haben, ihre Leistungen, die sie an einer ausländischen Uni erbracht haben, zu Hause anrechnen zu lassen. Damit sollten mehr Studierende für ein Auslandsstudium motiviert werden.

Die Zahlen zeigen aber, dass die Umstellung auf das Bachelorsystem die Mobilität der Studierenden nicht gefördert hat. „Die Situation ist auf keinen Fall leichter oder besser geworden“, sagt Ulrich Heublein von der Hochschul-Informationssystem GmbH (HIS). Er wirkte an einer Studie mit, die ergab, dass nur 15 Prozent der Bachelor-Studenten, die sich im letzten Semester befinden, einen Auslandsaufenthalt absolviert haben. Im Jahr 2007 sind es ebenfalls nur 15 Prozent gewesen.

„Es ist nicht so, dass die Studierenden nicht ins Ausland gehen wollen“, sagt Heublein, „sondern die Bedingungen dafür sind noch nicht an allen Universitäten geschaffen.“ Daran werde sich so schnell nichts ändern, meint Dietmar Buchmann von der Humboldt-Uni. Das Problem liege nicht am Bachelor-Master-System selbst, sondern an der Art der Umsetzung. „Die Voraussetzungen für einen Auslandsaufenthalt werden in den Studienplänen überhaupt nicht bedacht“, sagt er über die Bedingungen an der HU.

Viele Studierende fühlen sich durch die verkürzte Regelstudienzeit im Bachelor überfordert. Statt wie bisher 10 Semester im Diplomstudium beträgt sie nun 6 Semester. Ein Auslandsjahr lässt sich da nur schwer einplanen. Die Bachelor-Studienpläne sind straff strukturiert und lassen wenig Freiraum in der Wahl der Kurse. Oft werden aber bestimmte Lehrveranstaltungen an den ausländischen Unis gar nicht angeboten und die Studis befürchten, dass sie dadurch Studienzeit verlieren.

„Die Studenten haben zu viel Angst“, sagt Buchmann. Er will sie ermutigen, den Schritt ins Ausland trotz aller Sorgen zu wagen. Allerdings sind Planung und Organisation seitens der Studenten gefordert. „Arbeitet bitte vor!“, appelliert Buchmann. Man sollte schon im ersten Semester wissen, was man will, und eventuell Sprachkurse belegen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, den Auslandsaufenthalt im Rahmen des Masterstudiums zu machen.

An einigen Unis ist ein Auslandssemester Pflicht

Einige Unis kommen wiederum sehr gut mit dem Bachelorstudium zurecht. An der Universität Mannheim beispielsweise ist im Studiengang BWL ein Auslandssemester Pflicht. Es gibt aber zwischen den Fachbereichen Unterschiede: je nachdem, welche Schwerpunkte gesetzt werden, ob ein Auslandsaufenthalt vorgesehen ist und in welcher Form, als Studium oder Praktikum.

Genau hier sieht Ulrich Heublein vom HIS Ansätze, um die Situation zu verbessern: „Die Universitäten müssen einfach besser planen.“ Einige haben auch Zeitfenster für den Auslandsaufenthalt in ihre Studienpläne integriert oder die Regelstudienzeit auf 7 Semester verlängert. Ein Effekt des Bachelorstudiums ist aber an allen Universitäten spürbar: Die Studierenden gehen wegen des strukturierten Curriculums kürzer ins Ausland; im Schnitt für nur ein Semester statt für ein ganzes Jahr.

„Jeder, der die Möglichkeit hat, ins Ausland zu gehen, sollte das nutzen“, rät Buchmann. Unternehmen würden eher auf Kompetenzen schauen und nicht darauf, wie lange jemand studiert hat. Selbstständigkeit, Flexibilität und Sprachkenntnisse seien wichtig. Und das sind Eigenschaften, die man sich vor allem durch Erfahrungen im Ausland aneignet.

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