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China platziert weltgrößten Börsengang

Die Staatsbank ICBC bringt Anteile im Wert von 21,9 Milliarden Euro an die Finanzmärkte. Die Aktie war 20-fach überzeichnet, der Kurs sprang um 15 Prozent nach oben. Dabei hatte die Bank vor wenigen Jahren noch einen denkbar schlechten Ruf

AUS PEKING GEORG BLUME UND BABAK TVASSOLIE

Früher war er Teilzeitprofessor an einer Schanghaier Universität und schrieb Bücher über die „technische Revolution im amerikanischen Bankwesen“. Heute ist Jiang Jianqing Vorstandsvorsitzender der größten chinesischen Bank. Als solcher stand der 53-jährige gestern mit einer roten Rose am Revers vor den versammelten Brokern im Hongkonger International Finance Center, um die erfolgreichste Börseneinführung aller Zeiten zu feiern.

Die Szene war außergewöhnlich. Jiang ist Kommunist. Auch wenn er einst in der Kulturrevolution aufs Land geschickt wurde, ist er heute Mitglied des Pekinger Zentralkomitees der Kommunistischen Partei (KP). Ausgerechnet ihm aber vertrauten die Anleger gestern die höchsten Aktieninvestitionen an, die je bei einer Kurseinführung in ein Unternehmen geflossen sind: 21,9 Milliarden Dollar. Damit übertraf der Börsengang der von Jiang geführten Industrial and Commercial Bank of China, genannt ICBC, den zuletzt vom japanischen Telekommunikationsriesen NTT Docomo gehaltenen Rekord von 18,4 Milliarden Dollar Aktienerlös bei seiner Einführung im Jahr 1998.

Noch etwas entbehrte dabei nicht der Ironie: Chinas vier große Staatsbanken, von denen die ICBC gestern als die größte gefeiert wurde, galten noch bis vor zwei Jahren als die eigentlichen Sorgenkinder des chinesischen Wirtschaftswachstums. „Der Wiederaufstieg von ICBC ist umso eindrucksvoller, als die faulen Kredite der Bank noch vor weniger als zwei Jahren 21 Prozent der Außenstände ausmachten“, erinnerte gestern die Pekinger Volkszeitung. Damals galten Chinas Banken unter westlichen Analysten als schlecht geführte Kreditanstalten für marode kommunistische Staatsunternehmen. Damit ist es nun vorbei.

Im Laufe des Jahres übernahmen die Finanzriesen Allianz, Goldman Sachs und American Express 10 Prozent der ICBC-Aktien. Gestern nun verkaufte die Bank 17 Prozent ihrer Aktien an institutionelle Investoren und Kleinanleger und hätte 20-mal so viel verkaufen können. Die Nachfrage erreichte in den letzten Tagen offenbar einen Wert von über 500 Milliarden Dollar. Was nahelegt, dass die kommunistischen Bankmanager die Sache etwas zögerlich angingen – sie hätten einen deutlich höheren Einführungspreis für die Aktie verlangen können.

Dafür aber sprang der ICBC-Kurs am ersten Tag seiner Notierung an der Hongkonger Börse gleich um 15 Prozent nach oben und legte auch in Schanghai, dem zweiten Finanzplatz seiner Einführung, um 5,1 Prozent zu. Weniger dramatisch, aber ebenfalls erfolgreich waren im Juni und im Herbst 2005 die Börseneinführungen der Bank of China und der China Construction Bank verlaufen, die auch zu den vier Großbanken in China zählen.

Die Anlegereuphorie für die ICBC gründet auf ihrem einmaligen Status: Sie zählt in China 150 Millionen Kunden. Mit 21.000 Filialen, in denen 400.000 Angestellte arbeiten, ist sie überall in der Volksrepublik vertreten. Sie ist die Bank, in die jeder Chinese geht. Und sie hat ihren Service in den letzten Jahren grundlegend verbessert. Mit etwas Glück kann man in einer Pekinger ICBC-Filiale heute innerhalb von zehn Minuten eine Kreditkarte bestellen und sie sieben Tage später formlos abholen. Früher dauerte die Antragsannahme oft Stunden.

Der Staat hat die Bank kräftig saniert – 163 Milliarden Dollar flossen in die ICBC, um die faulen Kredite zu tilgen. „Unvermeidlich“ nennt ICBC-Vize Li Xiaopeng diese Subventionen. Erst sie hätten der Bank ermöglicht, sich mit der Börseneinführung auf die ausländische Konkurrenz vorzubereiten, die laut Vereinbarungen Chinas mit der Welthandelsorganisation ab nächstem Jahr größere Marktzugangsrechte in der Volksrepublik besäße.

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