„Die Relationen stimmen nicht“

Der Fanbetreuer Volker Goll warnt vor Aktionismus und fordert von der Politik mehr Geld für Fanprojekte

taz: Herr Goll, DFB und DFL haben wegen der Ausschreitungen am Wochenende für heute ein Krisengespräch angekündigt. Kommt es zur richtigen Zeit?

Volker Goll: Aktionismus ist fehl am Platze. Ohne die Ereignisse schön reden zu wollen, sollte die Debatte nicht zu hochgekocht werden. Wir wissen nicht was heute besprochen wird. Bislang bleiben die Fan-Projekte oder Fan-Vertreter bei der Diskussion jedenfalls außen vor. Ich kann nur hoffen, dass sie nach dem Gespräch mit einbezogen werden.

CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach fordert von den Vereinen ein härteres Vorgehen gegen Gewalttäter.

Die Forderung ist sehr seltsam. Die Vereine machen eine gute Fanarbeit – zumindest dort, wo sie finanzierbar ist. Das Problem ist, dass sich die Politik aus der Verantwortung stiehlt. Viele Bundesländer haben ihre finanzielle Unterstützung zurückgefahren oder sogar eingestellt. Lediglich DFB und DFL halten ihre Zusagen ein.

Was kann Fanarbeit leisten?

Den 35-jährigen Hooligan können wir nicht mehr umstimmen, aber wir haben die Möglichkeit auf Jugendliche einzuwirken. Dort, wo seit zehn oder fünfzehn Jahren Fanprojekte arbeiten, ist Gewalt kaum noch ein Thema. Auch Rassismus und Antisemitismus lassen sich durch Netzwerke, die von Seiten der Fans kommen, bekämpfen.

Warum haben unterklassige Vereine größere Probleme mit gewaltbereiten und rechtsradikalen Fans?

Die Vereine haben Probleme, die Fanarbeit zu finanzieren. Oftmals arbeiten die Fanbetreuer ehrenamtlich und agieren nebenbei noch als Ordner. Für Sozialarbeiter fehlt das Geld. Funktionierende Strukturen können so kaum existieren. Außerdem ist die Zuschauer-Relation eine andere. Je weniger Zuschauer im Stadion sind, desto eher fallen die Gewaltbereiten auf.

Im Vorfeld der WM wurde von Fans und Fanprojekten massive Kritik an der Datei „Gewalttäter Sport“ geübt. Die Zahl der dort registrierten stieg stark an. Etliche Fans seien zu Unrecht in die Datei aufgenommen worden.

Die Datei erleichtert den Fußballfans den Stadionbesuch nicht unbedingt. Es kommt vor, dass bei einem Regionalliga-Spiel die höchste Sicherheitsstufe verhängt wird, obwohl gerade einmal 1.000 Leute im Stadion sind – davon 300 Gästefans. Und dass nur, weil die Fans in den 90er Jahren einmal auffällig geworden sind. Die Relationen stimmen einfach nicht.

INTERVIEW: HOLGER PAULER