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BRASILIEN: DER WAHLSIEG GIBT LULA EINE CHANCE GEGEN DIE NEOLIBERALENEin starker Präsident

58 Millionen BrasilianerInnen haben Präsident Lula erneut einen Vertrauensbeweis erteilt. Landesweit und in den Bundesstaaten stehen seine Arbeiterpartei und andere fortschrittliche Kräfte besser da als je zuvor. Bemerkenswerter noch als dieser Erfolg ist seine Entstehungsgeschichte.

Seitdem ab Mai 2005 diverse Skandale mehrerer Lula-Vertrauter bekannt wurden, war der Staatschef einem regelrechten Trommelfeuer der großen Medien ausgesetzt. Weitere gezielt lancierte Enthüllungen und eigene Fehler kosteten ihn am 1. Oktober die absolute Mehrheit. Danach wirkte er wie ausgewechselt, wich der Presse nicht mehr aus und drängte seinen Rivalen in die Defensive. So konnte er Millionen linker WählerInnen zurückgewinnen, die ihn zunächst abgestraft hatten – die Armen hatte er zuvor ohnehin mit seinen Hilfsprogrammen für sich gewonnen.

Unverhofft steht Lula so stark da wie seit dem Beginn seiner Amtszeit Anfang 2003 nicht mehr. Damals unterließ der Präsident aus verständlicher Furcht vor den Finanzmärkten beherzte Strukturreformen und hielt sich stattdessen an das neoliberale Einmaleins von Spar- und Hochzinspolitik. Dank dieser Orthodoxie sank zwar die Inflation und stabilisierte sich die Haushaltslage, aber all dies ging auf Kosten spürbarer Wachstumsraten.

Jetzt stehen die Chancen für eine keynesianische Wende in der Wirtschaftspolitik so gut wie noch nie, zumal Lula & Co. jetzt die Funktionsweise des Staatsapparates von innen kennen. Beflügelt von der Erkenntnis, dass die Reichen auch einer „vernünftigen“ Linken allemal die klassische Rechte vorziehen, müsste der oft übervorsichtige Taktiker Lula jetzt den Druck von links zu einem spürbaren Umsteuern nutzen. Mit seiner zurückgewonnenen Legitimität könnte er auch die Oberschicht stärker in die Pflicht nehmen.

Will Lula als Sozialreformer in die Geschichte eingehen, muss er jetzt seine zweite Chance gegen die Neoliberalen nutzen. Deren publizistische Helfershelfer stehen schon bereit, um ihn bei der nächstbesten Gelegenheit als Linkspopulisten zu beschimpfen. GERHARD DILGER

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