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Hessen schafft Naturschutz ab

Mit einem neuen Gesetz sollen 15 Landschaftsschutzgebiete aufgegeben und Mitspracherechte begrenzt werden. Umweltverbände protestieren. Die Grünen halten den Entwurf für einen schwer wiegenden Anschlag auf die Natur

AUS FRANKFURT KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

In Hessen sollen 15 Landschaftsschutzgebiete dem Bürokratieabbau zum Opfer fallen. Ende November soll im Landtag über die Novelle des Landesnaturschutzgesetzes entscheiden werden, mit der nach Ansicht von Regierung und Unionsfraktion eine „Verwaltungsvereinfachung“ im hessischen Naturschutzrecht erreicht werden soll.

Der Entwurf sieht weiter vor, den Einfluss ehrenamtlicher Mitarbeiter auf die Entscheidungsfindung in Naturschutzangelegenheiten zu begrenzen. Die Zuständigkeiten der unteren Naturschutzbehörden und der Regierungspräsidien sollen auf der obersten Landesebene gebündelt werden. Die umweltpolitische Sprecherin der CDU, Elisabeth Apel, sagte, mit dem Vorstoß werde „der bundes- und europarechtliche Regelungsauftrag in vorbildlicher Weise eins zu eins umgesetzt“.

Die großen Umweltschutzverbände betrachten das als eine „Beschränkung des Naturschutzes auf das von Berlin und Brüssel vorgegebene Maß“. Die Novelle sei ein Schritt „zurück nach gestern“, heißt es in einem offenen Brief von Bund für Umwelt und Naturschutz, Deutschem Naturschutzring, Naturschutzbund, Deutscher Umwelthilfe, World Wildlife Fund und der Michael Succow Stiftung an Ministerpräsident Roland Koch (CDU).

Die vorgesehene Aufhebung von 15 großen Schutzgebieten werde nach Ansicht der Verbände eine kaum wieder zu schließende Sicherungslücke in der Erhaltung von „erhaltenswert-attraktiven Landschaften“ reißen. Die Landesregierung müsse die „anstößigen Vorschriften“ in ihrem Entwurf umgehend zurücknehmen. Sich selbst sehen die Verbände im Entwurf als „störende Elemente“ desavouiert: „Man sollte doch im Gegenteil jeden sachkundigen Einsatz für das Gemeinwohl ermutigen und stärken!“, fordern die Verbände.

Koch hat mit dem Vorschlag auch die Opposition im Hessischen Landtag gegen sich aufgebracht. Die umweltpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Landtag, Ursula Hammann, sagte, gerade in Hessen sei man mit den Naturschutzbestimmungen doch viel weiter gewesen. Jetzt ruderten die Konservativen zurück. Der Entwurf sei ein „schwerwiegender Anschlag auf die Natur“.

Im Erstentwurf sollte auch der besondere Schutz von Streuobstwiesen aufgegeben werden. Für die Umweltverbände war das ganz und gar unverständlich. Schließlich gelte doch der Apfelwein als ein Markenzeichen von Hessen. Den Vorwurf der Missachtung des hessischen Nationalgetränks „Ebbelwoi“ wollte Koch wohl nicht auf sich sitzen lassen. Die entsprechende Passage im Gesetzentwurf wurde gestrichen.

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