piwik no script img

Wismar liegt in Altona

Drei Tage lang spielten sich Szenen aus dem Polizeirevier Wismar direkt unter der taz in Hamburg ab. Die Redaktion durfte sich als unfreiwilliger Teil eines Filmsets fühlen. Ein Erfahrungsbericht über die Auswirkungen der Kamerapräsenz auf das tägliche Leben

Der Blick aus dem Fenster zeigt: Sie sind immer noch da. Lastwagen mit Kamera-Equipment, auf deren Seiten die Städtenamen „München – Hamburg – Hollywood – Prag“ geschrieben stehen. Im Hof parken Polizei-Busse, noch im alten Grün-Weiß. Vor der Eingangstür zum Untergeschoss lungern Polizisten herum, auch sie in den alten Uniformen. An der Ecke stehen wichtig aussehende Menschen mit Knopf im Ohr. Ab und zu schnarrt ein Walkie-Talkie.

Dreharbeiten sind in Großstädten völlig normal, in Berlin wird fast an jeder Ecke gedreht, warum nicht auch in Hamburg? Irgendwo müssen die Filme ja gemacht werden, die in den vielen Fernsehprogrammen laufen. In unserem Fall, weiß ein Kollege, ist es eine Folge der Serie „SOKO Wismar“. Was die starke Polizeipräsenz erklären würde. Der Polizeireporter ist derzeit nicht im Haus, vielleicht würde er einen Komparsen erkennen.

Morgens vor dem taz-Eingang dreht sich Kollege K. nervös um, der Hof ist in grelles Scheinwerferlicht getaucht. Die Kamera ist nicht zu sehen, sicherheitshalber streicht sich Kollege K. jedoch sein Haar aus der Stirn, für den Fall, dass nicht nur die Polizisten, sondern auch zufällige Passanten wie er ins Bild geraten. Ungern möchte man in derangiertem Zustand in einer Szene der „SOKO Wismar“ auftauchen, auch wenn die Serie nur im Vorabendprogramm läuft.

Der erste Versuch, das Set zu betreten, scheitert an den Türstehern mit den Knöpfen im Ohr. Durch die Fenster scheint helles Licht, drinnen stehen viele Menschen. Der Raum, in dem bis vor kurzem eine Kunstschule saß, sei nicht wiederzuerkennen, berichtet die Kulturredakteurin, die sich in einer Drehpause eingeschlichen hat. Und dass er stark nach den 80er Jahren aussehe.

Das Hamburger Büro der Produktionsgesellschaft, deren Namen die Türsteherin genannt hatte, fühlt sich für die Dreharbeiten nicht zuständig. Mit der „SOKO Wismar“ hätten sie nichts zu tun, sagt die Sekretärin, der Drehort sage ihr nichts. Hat sich ein Teil des Filmteams abgesetzt und der der Kontrolle der Zentrale entzogen?

Nachfrage beim ZDF: Die Szenen für „SOKO Wismar“ würden in Berlin gedreht – und in Wismar. In der Redaktion macht sich Ratlosigkeit breit, die Polizei-Busse auf dem Hof werfen ihr Blaulicht an. „Selten habe ich mich so sicher gefühlt“, sagt die Gerichtsreporterin. Erst vor wenigen Wochen hatte die Hamburger Polizei vor der Tür gestanden, sie wollte Unterlagen beschlagnahmen. Nach einigen Telefonaten zog sie unverrichteter Dinge ab. Ist das nun eine subtile Rache?

Die Polizisten in den senfbraun-grünen Uniformen rauchen, Fragen aber dürfen sie keine beantworten. Auch der Mann, der aus dem rosa Garderobenwagen kommt und aussieht wie frisch aus Hollywood eingeflogen, das Gesicht eines Surfers, weißes, gescheitelte Haar, schüttelt den Kopf. Nein, bitte keine Fragen. „Rufen Sie im Kölner Büro an“, sagt er.

Das Kölner Büro weiß auch nichts von der „SOKO Wismar“, wohl aber von Dreharbeiten zur Krimireihe „Solo für Schwarz“ mit Barbara Rudnik als Polizeipsychologin. Ein ambitioniertes Projekt, bei dem es viel um den normalen Alltag in der DDR und seine Bewältigung geht. Zufällig spielt die fragliche Folge tatsächlich in Wismar, die Außenaufnahmen des ermittelnden Polizeireviers werden dort gemacht, die Innenaufnahmen jedoch in Hamburg, weil der Produktionsleiter, seine Assistentin, der Beleuchter, die Requisiteure, der Fahrer und noch einige andere aus Hamburg kommen.

Wo die Innenaufnahmen gemacht würden, sei eigentlich egal, erklärt der Producer gut gelaunt, es würde sowieso alles umgebaut und neu angestrichen. „Sehen Sie sich das doch einfach mal an!“ Die Nennung seines Namens wirkt wie ein Code, die Türen öffnen sich. Der Drehort sieht muffig aus, alles ist mit dunklem Holz verkleidet. Drei Tage lang wurden dort Verdächtige zu den verschiedensten Tageszeiten verhört, mit Scheinwerfern von außen, wenn es Tag sein sollte, mit normalem Licht bei Nacht. Polizeipsychologin Barbara Rudnik hat sich mit den Wismarer Kollegen gestritten, die alle nicht echt sind, warum sollten sie auch.

Jedes Gebäude wäre freilich auch nicht in Frage gekommen, sagt der Producer, ein Altbau habe es sein müssen, weil das Gebäude in Wismar auch ein Altbau ist. Außen und Innen müssten schon irgendwie zusammenpassen. Die Kilometer zwischen Wismar und Hamburg sind im Film nur ein Schnitt, ein Kameraschwenk. Da ist das Fernsehen weiter als die Realität.

Die Polizei-Busse vor den Fenstern hat man gebraucht, damit der Blick nach draußen echt aussieht. Das immerhin. Möglich also, dass durch die eine oder andere Szene ein taz-Redakteur huscht. Im April oder Mai 2007 soll die Folge ausgestrahlt werden. Der Titel steht noch nicht fest. DANIEL WIESE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen