: Musikalische Auferstehung
MENTO Seit in den 60ern der Reggae enstand, galt der Mento nur noch als Touristenmusik. Jetzt kehren die über 70-jährigen „Jolly Boys“ mit neuem Album auf große Bühnen zurück
VON KNUT HENKEL
„Mento heißt der Papa von Rock Steady, Reggae und Dancehall“, erklärt Albert Minott mit breitem Lächeln und entblößt seine schadhaften Zähnstumpfe. Minott ist der Frontmann von Jamaikas derzeit erfolgreichster Rentner-Band und hat sein Geld früher als Feuerspucker, Akrobat und eben als Sänger verdient. Das Feuerspucken hat der 72-Jährige mittlerweile eingestellt, weil es dem Zahnschmelz nicht bekommt, doch auf der Bühne turnt das singende Energiebündel noch ordentlich rum. Minott genießt die musikalische Wiederauferstehung in vollen Zügen und ist froh, dass die „Jolly Boys“ die Hotels in ihrer Heimatstadt Port Antonio noch mal mit der großen Bühne vertauschen können.
Das geht nicht nur Sänger Minott so, der eine Vorliebe für dicke Ringe und flotte Hüte hat, sondern auch Derrick „Johnny“ Henry oder Egbert Watson. Die beiden, der Erste 72, der Zweite 84 Jahre alt, sind für den prägnanten Sound verantwortlich. Henry sitzt an der Rumbabox und sorgt für den blubbernden Bass und Watson zupft dazu die markanten Banjo-Riffs, die den Sound des Mento prägen. Keltische und afrikanische Einflüsse fließen im Mento zusammen, mit dem wuchsen die fünf alten Herren auf und Mento war in den Hotels in Port Antonio in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts das große Ding. Damals entstand die Band und US-Schauspieler Errol Flynn war es, der der Band letztlich den Namen verlieh, weil er einen Narren an dem groovenden Rhythmus gefressen hatte. Der geht auch heute noch in die Beine.
Doch in Jamaika geriet der Mento mit dem Auftauchen von elektrischen Instrumenten und dem Entstehen des Reggae zu Beginn der 60er Jahre ins Hintertreffen, galt als Touristenmusik und war außerhalb von Port Antonio kaum mehr zu hören. Bis Jon Baker den „Jolly Boys“ eine zweite Chance gab. Der Besitzer des GeeJam Tonstudios lud die Combo ins Studio und schlug ihnen vor, einen Set von Hits wie „Rehab“ von Amy Winehouse oder „Passenger“ von Iggy Pop im Mento-Style zu covern.
Das war der Startschuss für die Wiedergeburt der „Jolly Boys“. Im September erschien dann sogar ein neues Album: „Great Expectation“. Und hat nicht nur international für Aufsehen gesorgt, sondern auch in Jamaika. Konzerte in Kingston, lange Zeit undenkbar für die „Jolly Boys“, sind wieder im Programm. „Auf einmal interessiert sich auch die jüngere Generation für den Mento“, freut sich Albert Minott – und lässt das ruinierte Gebiss aufblitzen.
■ Mi, 8. 12., 21 Uhr, Knust, Neuer Kamp 30
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