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Krisenmüde, aber ohne Perspektive

Die Elfenbeinküste findet nicht zum Frieden und zu freien Wahlen – trotz Beschlüssen der Afrikanischen Union und der UNO. Präsident Gbagbo und Premier Banny blockieren sich gegenseitig. UNO und die ivorische Bevölkerung verlieren die Geduld

AUS ABIDJAN HAKEEM JIMO

Die Menschen in der seit fünf Jahren vom Bürgerkrieg geteilten Elfenbeinküste sind krisenmüde. Bouaké, die Hauptstadt der Rebellen in der Nordhälfte des Landes, trägt Züge einer Geisterstadt. In Abidjan, Metropole des Südens mit der Regierung von Präsident Laurent Gbagbo, stehen nicht mehr wie früher militante Anhänger des Gbagbo-Regimes auf der Straße und grölen, sondern es türmt sich meterhoch der Hausmüll – Hinterlassenschaft des Giftmüllskandals.

Und auch nach den jüngsten UN-Beschlüssen zur politischen Zukunft der Elfenbeinküste ist kein Wille zu einer politischen Lösung zu erkennen. „Wir haben zu Beginn der Blauhelmmission einen Fehler gemacht“, sagt Abdul Sow von der UN-Mission im Land. „Wir dachten, wenn Blauhelme die streitenden Armeen auseinanderhalten, dann würden die Politiker schon eine Versöhnung aushandeln.“ Das tun sie aber nicht.

Viele Politiker haben als Kriegsgewinnler ein Interesse am Status quo, sagt der ivorische Schriftsteller Venance Konan, der schon 2002, ein halbes Jahr vor Ausbruch der Rebellion, auf die Gefahr eines Bürgerkrieges in der Elfenbeinküste aufmerksam machte. Die politische Klasse des Landes müsse sich für diesen „Weder-Krieg-noch-Frieden-Zustand“ verantworten.

Mit der jüngsten UN-Resolution 1721 vom 1. November fühlten sich viele Ivorer an den Beginn der Krise zurückversetzt. Wie schon zuvor wurde vereinbart, dass der Präsident ein weiteres Jahr im Amt bleiben solle, aber dafür dem Premierminister wichtige Kompetenzen überträgt. Die alles entscheidende Streitfrage aber, an der die Vorbereitung freier Wahlen und damit das Ende der Teilung des Landes scheitert, blieb ungeklärt: Wer ist ivorischer Nationalität und darf demzufolge wählen? In der Elfenbeinküste leben teils seit Generationen Millionen Zugewanderte vor allem aus den nördlichen Nachbarländern, Burkina Faso und Mali. Ihre Nachkommen, in der Elfenbeinküste geboren, reklamieren die vollen Bürgerrechte. Das war einer der Gründe für die Rebellion.

„Das kommende Jahr wird nicht so spurlos vorübergehen wie die vergangenen Jahre. 2007 haben wir Wahlen. Es gibt keine weitere Transition“, sagte einen Tag nach der UN-Resolution ein UN-Beauftragter in Abidjan. Viel Zeit bleibt nicht. Zwischen neun und elf Monate werden laut UNO gebraucht, um die Wahlen zu organisieren – vorausgesetzt, der politische Wille ist da. Aber er ist es nicht. Im Gegenteil. Die bereits begonnenen Anhörungen zur Aufnahme der Nachkommen von Einwanderern in die Wahllisten wurden schon im Juli von nationalistischen Gbagbo-treuen Milizen jäh unterbrochen. Und wenige Stunden nach der jüngsten Resolution trotzte Präsident Laurent Gbagbo in einer Fernsehansprache zur ungewöhnlichen Mittagszeit, dass die UNO nicht die ivorische Verfassung in Frage stellen könne.

Denn nach den UN-Vorgaben soll Premierminister Banny seine Aufgaben zur Wahlvorbereitung auch mittels von Dekreten ausüben können, um die Blockadehaltung des Präsidenten umgehen zu können. Das ist in der Verfassung nicht vorgesehen. Gbagbo lässt erkennen, dass er lieber eine Gegenregierung bilden würde. Banny wiederum beharrt auf seinen neuen Machtbefugnissen. Kaum jemand in der Elfenbeinküste glaubt, dass sich der Premierminister, ein smarter Exbanker, gegen den skrupellosen Präsidenten Gbagbo durchsetzten wird.

In den vergangenen Jahren schickte Gbagbo regelmäßig Jugendmilizen, so genannte Junge Patrioten, durch die Straßen Abidjans. Übte die französische Regierung zu viel Druck auf Gbagbo aus, dann vergingen sich die Milizen an den im Land lebenden Franzosen, zündelten an französischen Schulen oder provozierten Zusammenstöße mit der rund 4.000 Mann starken französischen Eingreiftruppe. Die UN-Resolution 1721 geht auf eine Initiative Frankreichs zurück. Auch die UN-Blauhelme werden nun nicht mehr als Friedenskraft gesehen.

Immer häufiger fällt nun ein neues Schlagwort seitens der Gbagbo-Anhänger: Das Land brauche eine „inner-ivorische Lösung“. Wie diese aussehen soll, ist noch unklar. Gbagbos Milizen jedenfalls schreien des Öfteren, dass nun die Zeit des Krieges gekommen sei. Doch ausgemergelt von dem zehrenden wirtschaftlichen Niedergang wenden sich auch im Süden der Elfenbeinküste die Menschen gegen die zu Jugendbanden mutierten Milizen. Am 3. November kam es in Yopougon, einem der größten Stadtteile Abidjans und bisher Milizenhochburg, zu einer Straßenschlacht zwischen der Bevölkerung und Mitgliedern der GPP (Patriotische Gruppe für den Frieden), eine der radikalsten paramilitärischen Gruppen im Gbagbo-Lager. Vier Milizionäre wurden getötet, die Milizen wurden vertrieben.

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