KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE ZU MERKELS WÜNSCHEN: Sorry, Angela
Wer wird Kommissionspräsident? Glaubt man den Spindoktoren der Kanzlerin, dann ist diese Frage offen. Auch taz-Kollege Eric Bonse argumentierte gestern, dass der Europäische Rat – also die Versammlung der Regierungschefs – einen Kandidaten aus dem Hut zaubern könnte, an den noch niemand denkt. Weil Merkel und Co. weder Jean-Claude Juncker noch Martin Schulz, die als Spitzenkandidaten der großen Parteienfamilien antreten, genehm seien.
Merkels Interesse an dieser Erzählung ist nur zu verständlich. Bisher bestimmten die Regierungschefs allein über das Amt, Merkel hatte das letzte Wort. Doch dieses Mal ist das Rennen nicht mehr so offen, wie sie uns allen glauben machen will. Das liegt nicht nur am Vertrag von Lissabon, der vorschreibt, der Rat müsse das Wahlergebnis berücksichtigen. Sondern vor allem an einer politischen Logik, die zu weit fortgeschritten ist, als dass Merkel sie noch brechen könnte. Die Spitzenkandidaten Juncker und Schulz wurden auf europäischen Parteitagen bestätigt. Die meisten StaatschefInnen haben sich dort entweder für den einen oder den anderen ausgesprochen. Auch Merkel.
Ebenso klar verhält sich das EU-Parlament zu der Streitfrage. Die drei Fraktionsvorsitzenden der Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen haben sich verpflichtet, nur einen der Kandidaten zum Kommissionspräsidenten zu wählen. Gegen diese drei starken Fraktionen geht nichts im Parlament.
Wollte Merkel also nach der Wahl einen ganz anderen Kandidaten, müsste sie diesen gegen den Willen der Parlamentsmehrheit, gegen Regierungschefs aus dem eigenen Lager und gegen berechtigte Empörung in der Bevölkerung durchsetzen. Sie wird klug genug sein, diesen aussichtslosen Kampf ausfallen zu lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen