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DAS DING, DAS KOMMT8, 15, 25 Cent

DIE PFANDFLASCHE ist für Jürgen Trittin, was den Punks die Aludose war – weiß Wolfgang Müller

„Die Kinder rufen im ganzen Land / Fli-Fli-Fla-Fla- Flaschenpfand“

Eng verbunden sind die Achtziger mit der Ästhetik der Aluminiumdose. In illegalen Punkclubs wird das Bier am liebsten in Aludosen serviert.“ Wolfgang Müller lebte damals in Westberlin, der Zuflucht für allerlei abweichende Lebensentwürfe (oder auch bloß unwillige Wehrpflichtige). In seinem Überraschungserfolg „Subkultur Westberlin 1979–1989“ (Philo Fine Arts/Fundus 2013) hat daher, zwischen Anekdoten über Blixa Bargeld, das SO 36 und, natürlich, Müllers eigene Kunst-Musik-Truppe Die Tödliche Doris auch die Pfandflasche einen Auftritt: „Die Alternativen und Ökos sind entsetzt. Sie setzen auf Glasflaschen und Recycling.“

Einen späten Sieg habe diese – taz-nahe – Fraktion des alternativen Spektrums in Person von Jürgen Trittin gefeiert: „Nach ein paar Jahren rot-grüner Regierungszeit und Umweltminister Trittins engagiertem Einsatz für die Einführung des Dosenpfands, entscheidet sich der Kampf zugunsten des Glas-Recyclings.“

War der Sieg des Glases auch eine vorläufiger, ist doch bis heute etwas dran an Müllers Beobachtung: Dass auch viele ökologisch nicht optimale Verpackungen, seien sie aus Alu oder PET, nun das Einwegpfand-Logo tragen, „wirke im Rückblick wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Opfer rot-grüner Hartz-IV-Reformen“: Die treffen wir als „Pfandflaschensammler“ wieder, die „Mülltonnen und Abfallkörbe“ durchforsten.

Ausgerechnet dieser Materie hat der Hamburger Popmusiker Andreas Dorau einen frühen Ohrwurm des Jahres 2014 gewidmet: das Stück „Flaschenpfand“ – aufs Famoseste betextet von Wolfgang Müller: „8, 15, 25 Cent, / ein jeder diese Zahlen kennt / Die Kinder rufen im ganzen Land /  Fli-Fli-Fla-Fla-Flaschenpfand.“

Dorau wies Müller hin auf den jüngsten Streich der Hamburger Stadtreinigung: Deren neue Mülleimer machen es unmöglich, ans hineingeworfene Leergut zu gelangen. Um die drohende Verdrängung der prekären Gestalten aus dem öffentlichen Raum ging es Müller schon im Liedtext: Der sei „ein Versuch, jedwede kosmetische, verschönernde Operationen zu unterlaufen“, schrieb er auf Facebook. „Speziell entwickelte Halterungen für Leergut an Müllkörben sind auch eine Methode, um alle Nicht-Pfandflaschensammler vom unangenehmen Anblick im Müll wühlender Menschen zu verschonen.“

Dass die menschenunfreundlichen Hamburger Abfallbehälter ihren Inhalt zusammenpressen – und das mit Solarstrom: Daran hätte sicher auch Jürgen Trittin seine Freude.  ALDI

■ Wolfgang Müller liest aus „Subkultur Westberlin“: So, 18. Mai, 19 Uhr, Bremen, Gleishalle am Güterbahnhof; www.kunstfruehling.de

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