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Das Volk will doch keine 18 Euro pro Stunde verdienen

SCHWEIZ Eine deutliche Mehrheit votiert gegen einen verbesserten gesetzlichen Mindestlohn

Die Großstädte Genf und Zürich gehören zu den fünf teuersten Städten der Welt

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

77 Prozent der StimmbürgerInnen in der Schweiz haben am Sonntag die von Gewerkschaften, Sozialdemokraten und Grünen lancierte Volksinitiative für einen gesetzlichen Mindestlohn von 22 Franken (ca. 18 Euro) pro Stunde abgelehnt. Das hätte bei der in der Schweiz noch weithin üblichen 42-Stundenwoche ein Monatssalär von rund 4.000 Franken bedeutet. Die Befürworter hatten argumentiert, wer trotz Vollbeschäftigung weniger als 4.000 Franken monatlich verdiene, könne von diesem Lohn nicht anständig leben. Ein gesetzlicher Mindestlohn sei insbesondere erforderlich für Beschäftigte in Branchen, für die kein branchenweiter Tarifvertrag mit Mindestlöhnen existiert.

Die Lebenshaltungskosten in der Schweiz sind im Durchschnitt deutlich höher als in Deutschland. Die Großstädte Genf und Zürich gehören seit vielen Jahren zu den fünf teuersten Städten der Welt.

Die Schweizer Regierung, die fünf bürgerlichen Mitte- und Rechtsparteien sowie die Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände hatten die Volksinitiative unter Aufwand erheblicher finanzieller Mittel bekämpft. Sie hatten dabei das Argument ins Feld geführt, die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns sei ein „unzulässiger Eingriff des Staates in die bewährte Sozialpartnerschaft“. Zudem vernichte er Arbeitsplätze im Tief- bzw. Niedriglohnsektor und könne Berufseinsteiger davon abhalten, sich der Mühe zu unterziehen, sich zukünftig aus- und weiterzubilden. Insgesamt überraschend war, dass die Initiative zum Mindestlohn mit einer derartigen Klarheit abgewiesen wurde.

Die weitere Vorlage von Regierung und bürgerlicher Parlamentsmehrheit, die ebenfalls zur Abstimmung stand, nämlich 22 schwedische Kampflugzeuge von Typ „Gripen E“ anzuschaffen, wurde von 52 Prozent der StimmbürgerInnen abgelehnt. Für die Beschaffung hatte die Regierung knapp 3,2 Milliarden Franken veranschlagt sowie weitere 3 Milliarden für den Betrieb der Flugzeuge in den nächsten 30 Jahren.

Die 22 „Gripen E“ sollten ab 2016 die angeblich veralteten bisherigen 54 Tigerjets der Luftwaffe ersetzen. Die neuen Kampfflugzeuge seien zusammen mit den 32 US-amerikanischen F/A-18-Kampfjets der eidgenössischen Luftwaffe „das absolut erforderliche Minimum zur Sicherung des Schweizer Luftraums“, hatten die Befürworter in der Abstimmungskampagne erklärt.

Die Gegner, dazu zählten vor allem Grüne, Sozialdemokraten und die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSOA), hielten dagegen, die Schweiz habe bereits jetzt eine für das Land stark überdimensionierte Luftwaffe. Zudem würden die Betriebskosten für die 22 „Gripen E“ mindestens 10 statt die veranschlagten 3 Milliarden Franken kosten.

Rund 63 Prozent der Stimmbürger unterstützten die Volksinitiative „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“. Mit ihrer Annahme verliert ab sofort jeder, der in der Schweiz wegen sexueller Straftaten gegen Minderjährige oder andere abhängige Personen verurteilt wird, automatisch und lebenslang das Recht, beruflich oder ehrenamtlich mit Minderjährigen oder Abhängigen zu arbeiten.

Lanciert wurde die Initiative von der inzwischen aufgelösten Schweizer Sektion der Protestbewegung gegen Pädophilie „Marche Blanche“ (Weißer Marsch). Sie wurde 1996 in Belgien gegründet nach Bekanntwerden der Sexualstraftaten und Kindesmorde von Marc Dutroux. Die Fronten der Befürworter und Gegner der Initiative gingen quer durch alle Schweizer Parteien. Das Parlament sprach sich mit knapper Mehrheit dafür aus, die Regierung und der Ständerat – die Vertretung aller 26 Kantone – empfahlen die Ablehnung.

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