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Eine homöopathische Dosis Koran

Der türkische Performance-Künstler Berkan Karpat hat sich der islamischen Sammlung des Düsseldorfer Museum Kunstpalast angenommen. Doch seine Installation „Ich esse Licht“ trägt wenig zum Verständnis der Religion und ihrer Traditionen bei

VON KATJA BEHRENS

Zumeist kriegerisch war die Beziehung des Abendlandes zum Morgenland – bis zum 19. Jahrhundert. Dann wurde der exotische Orient zur Projektionsfläche der eigenen Sehnsüchte. Kolonisiert wurde er nach wie vor. Das hätte in einer Ausstellung gut zur Sprache kommen können. Statt dessen sind einzelne Objekte der Sammlung islamischer Kunst des Düsseldorfer Museum Kunstpalast nun Teil einer Installation geworden, die mit Roboter-Technik und etwas oberflächlicher Spielerei Zeitgenossenschaft und einen modernen Blickwinkel behauptet. Der in München lebende türkische Performance-Künstler Berkan Karpat (geb. 1965 in Istanbul) hat sich unterschiedliche Aspekte des islamischen Glaubens vorgenommen und in einem Kunst-Kosmos aufgehen lassen, der zum Verständnis der Religion und ihrer Tradition, zu ihrer Rezeption und Geschichte wenig Neues beizutragen hat.

Der Besucher der Ausstellung mit dem poetischen Titel „Ich esse Licht“ wird von dem eindringlichen Geruch der vielen Rosen begrüßt. Durch drei Räume hindurch aufgereiht künden sie davon, dass Rosengärten und Düfte eine wichtige Rolle im Islam spielen, dass die Rose selbst bedeutungsvoll aufgeladen ist, Stiel, Dornen, Blätter und Blüte den Weg zu Erkenntnis und Vollendung symbolisieren. Die farbige Wandtapete erzählt davon, dass Grün die Lieblingsfarbe des Propheten Mohammed war, da sie als Farbe der Vegetation für die Schöpfungskraft Gottes und für die Verheißung des Paradieses stehe. Der Roboter, der in äußerster Präzision Koranverse in eine runde Glasscheibe graviert, scheint eine Verkörperung des Ideals der entindividualisierten Harmonie zu sein, jener Idee, die schon seit Jahrhunderten die islamischen Künstler umtreibt. Doch ist die in der Kalligraphie gesuchte Harmonie tatsächlich mit technischer Perfektion gleichzusetzen? Oder ist nicht schon das Streben danach das eigentliche Ziel?

Gleich am Eingang der Ausstellung lädt ein Brunnen den Besucher ein, ein Tässchen des mit Koran-Rezitationen beschwungenen Gletscherwassers zu trinken. Karpat selbst will am heutigen Samstag zur Eröffnung eine Blutuntersuchung bei sich vornehmen lassen, die die hormonellen Veränderungen nach dem Genuss einer homöopathischen Portion Koran nachweisen soll. Was gibt es dazu zu sagen?

Die Sammlung islamischer Kunst des ehemaligen Kunstgewerbemuseums in Düsseldorf, das 1882 gegründet wurde, ging 1928 in die Sammlung des Kunstmuseums im Ehrenhof über, dem heutigen Museum Kunstpalast. Neben wunderbar punzierten und ziselierten Metallgefäßen und -geräten aus dem Besitz mamlukischer, osmanischer und safawidischer Würdenträger, neben Textil- und Töpferkunst sind vor allem die kunstvoll geschriebenen, kalligrafierten und illuminierten Korane bemerkenswert. Und glücklicherweise belässt es der Künstler nicht dabei, bekannte Tatsachen zu illustrieren und die religiösen Objekte den eigenen Werken oder gar sich selber einzuverleiben.

Stakkatoartig aus einem großen Lautsprecher oder in weichem Singsang aus kleinen Ohrhörern fließen Koranrezitationen durch den Raum. Endlich wächst eine Ahnung von der Poesie und der Bedeutung des gesprochenen Textes im Islam. Die Vertonungen der heiligen Verse sind der wohl eindringlichste Teil der Ausstellung: Wenn etwa der große Dichter und Korankenner Hossain Mansouri in seinen kraftvollen Rezitationen Mystik und Poesie des Koran in ein sinnliches Ereignis überführt. Die Unterschiede der Rezitationsweisen aber und die Besonderheit etwa der Kairoer Schule müssen für die meisten Besucher wohl unerkannt bleiben. Die jährlich stattfindenden Passionsspiele zu Ehren Husseins, des Neffen Mohammeds, sind hingegen ein Beispiel für die Adaption von und Vermischung mit christlichen Traditionen.

Schade eigentlich, dass der Künstler die Sammlung islamischer Kunst des Düsseldorfer Museum Kunstpalast nicht auch in ihren weiteren politischen Kontext gestellt hat. Vielleicht wäre der Versuch, die Sammlung nicht nur ästhetisch ein-, sondern auch an ihre Entstehung zurückzubinden und sie historisch zu verankern, ein wirklich aktueller Zugang gewesen. Nicht so sehr die formal ästhetische Erscheinung und inhaltliche Tradition islamischer Kunst als vielmehr die unselige Geschichte ihrer kulturellen Kolonisierung wäre dann das Thema.

Bis 11.2.2007Infos: 0211-8924242

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