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Wie die Ratten im Labyrinth

DOKU Erstmals wird der Schriftstellerverband „Oulipo“ porträtiert (23.15 Uhr, Arte)

Securitate ist der Name der unheimlichen Organisation, die immer wieder in Zusammenhang mit Oskar Pastior genannt wird. Es heißt, der Büchnerpreisträger sei dort Mitglied gewesen.

Er ist – obwohl 2006 verstorben – Mitglied in noch einer ganz anderen, nicht weniger unheimlichen Organisation – der „Oulipo“. Denn deren Statuten besagen: „Verstorbene bleiben Mitglieder des Oulipo. Sie gelten bei den Sitzungen wegen Ablebens als entschuldigt.“ Und: „Der einzige Weg, das Oulipo zu verlassen, besteht darin, sich in Anwesenheit eines Gerichtsvollziehers das Leben zu nehmen.“

„Oulipo“ steht für „Ouvroir de Littérature Potentielle“. Ziel der 1960 in Paris gegründeten Gruppe ist die Spracherweiterung durch formale Zwänge, durch eine vom Autor selbst bestimmte Beschränkung des Sprachmaterials. Oder, wie es der Film erklärt: „Ein Oulipote ist eine Ratte, die den Weg aus dem Labyrinth sucht, das sie selbst gebaut hat.“

Das vielleicht bekannteste Oulipo-Werk stammt von Georges Perec, der einen ganzen Roman („La Disparation“, 1969) unter Verzicht auf den Buchstaben „e“ verfasste. Die berühmtesten „Oulipoten“ sind Raymond Queneau, Italo Calvino und Marcel Duchamp. Sie lassen sich derzeit alle bei den Sitzungen entschuldigen.

Bedenkt man, dass die Gruppe in 50 Jahren des Bestehens nur insgesamt 37 Mitglieder aufgenommen hat, so müssen annähernd alle aktiven Mitglieder in Jean-Claude Guidicellis und Frédéric Fortes Dokumentation – der ersten überhaupt über den Autorenkreis – mitgewirkt haben. Es gibt noch ein paar hübsche spielerische Bildideen, aber die Filmer taten gut daran, die schelmisch-gravitätischen O-Töne der Oulipoten in den Mittelpunkt zu rücken. Der elaborierte Nonsens der Oulipoten ist ein Silberstreif am Mattscheibenhorizont. JENS MÜLLER

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