MARTIN UNFRIED ÜBER MAPPUS VOR DEM S-21-UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS: Der Unverantwortliche
Der Polizeieinsatz am 30. September war weder für das Bauprojekt Stuttgart 21 zu diesem Zeitpunkt relevant – was Bahnsprecher offen zugeben – noch für das Überleben des Rechtsstaates. Hier liegt die politische Verantwortung von Ministerpräsident Stefan Mappus. Dass die „smoking gun“ nicht gefunden wurde – geschenkt. Oder hat wirklich jemand geglaubt, es fände sich eine direkte Anweisung des Regierungschefs für den Einsatz der Wasserwerfer?
Deutlich wurde, dass Mappus die politische Verantwortung sogar mit Macht an sich gezogen hatte. Nicht der Innenminister, sondern er war direkt in die Diskussion mit der Polizei eingebunden. Auch existierte ein politisch-strategischer Zeitplan, der für den Termin der Räumung zumindest eine Rolle gespielt hat. So ist auch die Hektik und Hast der polizeilichen Vorbereitung politisch zu erklären. Heute wissen wir, dass es innerhalb der Polizei die Auffassung gab, dass eine Räumung mit verhältnismäßigen Mitteln nicht möglich sei. Man kann also davon ausgehen, dass Ministerpräsident und Polizei das Risiko des „worst case“ bewusst eingegangen sind.
Und die rechtliche Seite? Im Schlosspark entstand eine Situation, die nicht mal für Verfassungsjuristen eindeutig war. Der Sachverständige der CDU sprach von einer Verhinderungsblockade, nicht gedeckt durch das Versammlungsrecht, die also Wasserwerfer rechtfertige. Jener der Grünen bezeichnete deren Anwendung als unverhältnismäßig bei einer „Spontandemo“, die sich auf Artikel 8 Grundgesetz berufen konnte. Dabei war die wichtigste rechtliche Frage gar nicht untersucht worden: Bis heute ist ungeklärt, ob die Baumfällung nicht gegen Artenschutzrecht verstieß – und ob damit nicht die Rechtstaats-Argumentation in sich zusammenfällt.
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