: Der Maler des Brachialen
AUSSTELLUNGSREIHE Der Maler Franz Radziwill ist ein Klassiker des Expressionismus und des Magischen Realismus. Außerdem ist er im Nordwesten verwurzelt, weswegen ihm 2011 fünf norddeutsche Häuser Ausstellungen widmen
VON FRANK KEIL
Was für ein Schinken! Weit stehen die Schleusentore offen, sind aber schon wieder dabei sich zu schließen, die fremde Welt außen vor zu lassen – und davon schippert ein U-Boot, klein, schmächtig, aber zielstrebig, seine Heckwellen wollen nicht enden.
„Auslaufendes U-Boot“ heißt das Bild, gemalt von Franz Radziwill, der sich als Vertreter des Expressionismus und des Magischen Realismus in der deutschen Malerei einen Namen gemacht hat. Datiert ist das Bild auf das Jahr 1936, das Aufrüstungsprogramm der Nationalsozialisten kommt gerade in Schwung. Und der Maler Franz Radziwill ist zur Stelle, um diesen Aufbruch in neue, brachiale Zeiten in Öl zu bannen.
Drei Jahre zuvor ist er der NSDAP beigetreten, ohne Druck, von sich aus. Zunächst lohnt sich das für ihn: 1934 stellt er im deutschen Pavillon auf der Biennale Venedig aus und wird im selben Jahr an die Kunstakademie Düsseldorf berufen, um den Platz des von den Nazis geschassten Paul Klee einzunehmen.
In den kommenden Jahren entwickelt sich ein eigenartiges Verhältnis zwischen Radziwill und den Nazis. Der Künstler wird mal mit staatlichen Aufträgen versorgt, dann wieder werden seine Ausstellungen geschlossen und Bilder als „entartete Kunst“ beschlagnahmt. Er selbst hört dabei nie auf, sich für den Nationalsozialismus einzusetzen.
2011 wird ein Franz-Radziwill-Jahr in Norddeutschland: In Emden, Dangast, Wilhelmshaven und Oldenburg zeigen fünf Häuser Radziwill-Ausstellungen. Den Auftakt macht die Ausstellung „111 Meisterwerke aus privaten Sammlungen“ in der Kunsthalle Emden. Gezeigt werden ab 15. Januar Gemälde und Papierarbeiten aus der gesamten Schaffenszeit Franz Radziwills. Sie spannen den Bogen vom expressionistischen Frühwerk über Bilder der Neuen Sachlichkeit bis hin zu den fantastisch wirkenden Arbeiten des Magischen Realismus.
Franz Radziwill ist in Norddeutschland verwurzelt, schließlich hat der 1895 in der Wesermarsch geborene Maler im Grunde seines Herzens das ostfriesische Örtchen Dangast, in das er 1922 übersiedelte, nie verlassen. In Dangast steht das Franz-Radziwill-Haus Besuchern offen, außerdem hat dort die Franz-Radziwill-Gesellschaft ihren Sitz.
Bei der anstehenden Ausstellungsreihe wird Radziwills Rolle im Nationalsozialismus einen Schwerpunkt bilden. Ganz ausdrücklich geschieht das in der Kunsthalle Wilhelmshaven. Das ist eine Neuerung: Bisher wurde diese Zeit und des Malers Werk in ihr oft nur mit spitzen Fingern angefasst und lieber die Formel vom unpolitischen und irgendwie naiven Maler bemüht, dem einfach seine Technikbegeisterung in die Quere kam.
Dabei verlässt sein Werk auch nach 1945 nicht jene Spannung zwischen Erregung und Furcht, wenn es um das Technische und seine ihm innewohnenden Zerstörungskräfte geht. „Nach dem Unglück“ heißt etwa ein Bild von 1949, ein Ozeanriese scheint durch eine Stadt zu fahren, auf die kopfüber ein Bomber fällt.
Kein Wunder auch, dass sich Radziwill Ende der 1950er der Gruppe „Ciafma“ anschließt, die gegen die abstrakte Malerei und ihren Beschluss angesichts der Schrecken des Nationalsozialismus und des damit verknüpften Weltkrieges auf figurative oder realistische Bilder zu verzichten, heftig opponiert.
Radziwill bedient sich nun immer stärker einer christlichen Ikonografie, um seiner Zivilisationskritik eine wertkonservative Grundierung zu geben. Bei aller nun offen vorhandener Kritik an der Auflösung des bäuerlich Traditionellen durch die Großstadt, bleibt die Faszination für ihre Möglichkeiten: „Je höher die Häuser, um so kleiner der Mensch“ heißt ein Bild von 1971 und wie zu erwarten sind die dargestellten Hochhäuser als Furcht einflößende, aber auch beeindruckende Monumente gehalten.
„Franz Radziwill – 111 Meisterwerke aus privaten Sammlungen“, ab 15. Januar, Kunsthalle Emden
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