DIE GESELLSCHAFTSKRITIK: Divers und progressiv
WAS SAGT UNS DAS? „Titcoins“ statt Bitcoins: Die Pornoplattform Pornhub lanciert ein neues Bezahlmodell und eine neue Werbekampagne
Die Pornoplattform Pornhub will raus aus ihrer Schmuddelecke. Dafür starten die BetreiberInnen eine Reihe von Werbekampagnen – unter anderem einen Aufruf, Werbevorschläge für die Pornoseite einzureichen. Ergebnis des Aufrufs sind 15 Clips und Plakate, die es bis in die letzte Auswahl geschafft haben. Von denen sind einige so charmant, dass man sich dabei ertappt, Pornhub liebzugewinnen. Ein unscheinbarer Mann mit Nerdbrille vergießt bittere Tränen ob des fehlenden Internetzugangs – wir weinen mit. Ein Plakat fragt uns, was für ein Onanieritual wir haben – wir uns auch. In den Werbevorschlägen haben auch Frauen dreckige Fantasien, überhaupt ist alles überraschend divers und progressiv. Für einen kurzen Moment jubelt man: jemand haut die nervigen Tabus in die Tonne – danke, Pornhub!
Nur ist es mit der Werbung für Pornhub ein bisschen so, als würde McDonald’s sagen, dass die Chicken McNuggets von glücklichen Hühnern und fair gehandelt sind. Denn die Pornoplattform, auf der sowohl Amateurclips als auch professionelle Filme zu finden sind, wird ja nicht durch gute Werbung eine andere: Vor allem weibliche Geschlechtsorgane ruckeln dort in Großaufnahme entgegen, so dass man kaum anders kann, als in Alice Schwarzers Chor einzusteigen und „PorNo!“ zu rufen.
Aufsehen erregt auch ein jenseits dieser Kampagne lancierter Werbeclip von Pornhub. Statt der Kryptowährung „bitcoin“ wird hier die „titcoin“ zur sicheren Währung. Frau zieht ihr T-Shirt hoch und streckt dem Barkeeper und seiner Handykamera die Brüste entgegen, der lädt das Bild mit der Titcoin-App hoch, die Frau kriegt ein Bier. So der Deal. „Geld wächst nicht auf Bäumen“ heißt es dort, sondern „auf Titten“. Streng genommen hätte der Film das Ding zu knallharter Gesellschaftskritik, denn er bricht etwas auf einfache Bilder herunter, was absoluter Usus ist: Frauen und ihre Brüste werden zu Objekten gemacht, machen sich mitunter selbst dazu, zudem zu verwertbaren.
Tatsächlich bringt der Film die Kritik aber nicht. Das Ganze ist Satire, aber wer hier wen persifliert, bleibt unklar. Das ist kaum Zufall, uneindeutige Satire ist eben schwer angreifbar; allzu schnell werden die KritikerInnen zu vermeintlichen SpielverderberInnen. Die Kritik klingt unsagbar langweilig – ebenso sehr wie, dass man sie zu einem zyllionsten Mal aussprechen muss.
So stolpert man zwischen Alice Schwarzer, gutgemachter Werbung, Lust und Abscheu hin und her und fragt sich, wie man Licht ins Dunkel bringen kann. Hier der Vorschlag: Pornhub vor die Füße kotzen und eine neue Plattform gründen. Die FinalistInnen der Werbekampagne könnten die Pornos drehen. Solche mit Inspiration und geistiger Flexibilität – und ohne die schreienden Nahaufnahmen. JUDITH POPPE
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