der wochenendkrimi: Im Schummerlicht der Elbvororte
„K3 – Kripo Hamburg: Gefangen“, So., 20.15 Uhr, ARD
Hamburg ist eine wachsende Stadt, jedenfalls wenn es nach den Regierenden geht. Das Elbufer wird von immer neuen architektonischen Schmuckstücken gesäumt, der Bürgermeister spricht gerne von seiner Perlenkette. Und im Osten zieht man am Wasser gleich eine ganze eigene Stadt in die Höhe, die Hafencity. Aber wer residiert in all der Glas- und Stahl-Architektur, die von einem Aufschwung zeugt, der sich erst noch richtig einstellen muss?
Zum Beispiel eine (fiktive) Reederei wie PCO. Deren Manager wurde ermordet. Und das gibt den „K3“-Ermittlern Zeit, durch die lichtdurchflutete Firma zu streifen. 20 Prozent Marktanteil und 350 Containerschiffe besitzt PCO. Demnächst eröffnet man zur Abwicklung der Fracht in Hamburg das Asia-Gate, der Bürgermeister wird auch da sein. Um PCO muss man sich bemühen. So ein internationaler Reedereikonzern kann Dependancen eröffnen, wo es ihm passt. Es gibt keine wirkliche Standortpflege. Die Angestellten sind es gewohnt, in allen Ecken der Welt zu operieren.
Annette Michels (großartig: Lisa Martinek), die mit dem Mordopfer zusammengearbeitet hat und eng mit ihm befreundet war, ist so eine Nomadin der Globalisierung. Sie war schon überall, demnächst sollte sie nach Hongkong gehen. Ihrem Mann wäre das gar nicht recht. Schließlich hat man gerade in einem Elbvorort ein schönes Haus bezogen. Nebenan wohnte auch das Mordopfer mit seiner Frau. Die vier waren sehr vertraut miteinander – besonders die beiden Partner der Reederei-Yuppies.
Die „K3“-Episode „Gefangen“ (Regie: Marcus Weiler, Buch: Rainer Butt und Klaus Wöhler) ist ein Beispiel dafür, wie ein Beziehungsthriller grandios im Stadtporträt aufgehen kann. Die Handkamera folgt den Frachtgut-Managern durch ihre Logistik-Tempel und zeigt, wie sie Strategien zur Auslastung der Containerschiffe schmieden – sie bleibt ihnen aber auch im Schummerlicht der Elbvororte auf den Fersen, wo man es in riskanter Pärchenkonstellation sich gemütlich zu machen versucht.
Umso bemerkenswerter ist die Konsequenz, mit der dieses Geflecht psycho-ökonomischer Abhängigkeiten aufgedeckt wird, wenn man bedenkt, dass kurz vor dem Dreh Ermittlerdarsteller Ulrich Pleitgen schwer erkrankte. Sein Part wurde kurzfristig mit Walter Kreye besetzt, der hier als neuer Chef mit seinen Leuten still und unnachgiebig auf Recherche durch die aufgehübschte Hansestadt geht. Die Glas-und-Stahl-Protzerei und die poröse Elbvorortheimeligkeit – in fünf Minuten dieser „K3“-Folge blitzt mehr echtes Hamburg auf als in 90 Minuten Hamburg-„Tatort“. CHRISTIAN BUSS
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