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Nebelmaschine bleibt aus

Die Münchener Partymacher Dieter Funk und Freez luden am Wochenende zur Jugend- tanzveranstaltung „Clear Club“: Rauchen verboten! Dementsprechend ging es hoch her

VON MAX HÄGLER

Der wohl erste gescheite Nichtraucherclubabend im Land samt halbwegs vernünftiger Musik? Führt vorab auf jeden Fall schon mal zu nie gehörten Antworten: An das „Ach nee, ich lieg grad mit Motivationsloch auf der Couch“ reiht sich das „Ach nee, klingt eher uncool“. Und natürlich das „Ach nee, ohne mich, ich will heut Abend rauchen“.

Zähne gut schrubben

Egal, was gesellschaftliche Avantgarde ist und sogar politisch – je nach Lautstärke des Lobbygezeters – gewollt, das will unterstützt sein. Die Vorbereitung jedenfalls stimmt oder eben gerade nicht: die Klamotten sind nach einem ausufernden Vorabendkneipengespräch samt obligatorischer Ganzpackung Gauloises Rouge ordentlich verqualmt. Die Zähne hernach aber nochmals besonders gut und ausgiebig geschrubbt. Der Abend verspricht schließlich Reinheit – und viele gute Bekanntschaften.

„Clear Club“ heißt die 70er-80er-Bastardpop-Veranstaltung im Münchner Ampere-Club – und die beiden Veranstalter, der umtriebige Hiphop-Macher Freez und der Sonnenbrillenfabrikant Dieter Funk, haben Frauenüberschuss vorhergesagt. Der prüfende Blick in die amtlichen Statistiken bestätigt die Schätzung: In der primär clubaktiven Alterskohorte zwischen 20 und 35 greift die Hälfte aller Jungs zur Kippe, aber nur jedes dritte Mädel.

Qualm im Jäckchen

Und auch die Empirie bestätigt: Vor allem die Frauen klagten in den letzten Jahren über den Geruch in ihren T-Shirts und Wolljäckchen, der nach einer durchzechten Nacht gemeinsam mit dem pochenden Kopfschmerz regelmäßig einen kurzen Moment der Übelkeit verursacht. Durchaus möglich also, dass der Zweidrittelteil heute die Tanzfläche stürmt, selten gesehene Frauen, die anmutig tanzen, weil sie sonst immer zu Hause sitzen, das Duftbäumchen in der Ecke, den Luftpartikelionisator aus dem Quelle-Katalog auf Hochtouren.

Alles Argumente also, die das schnöde Abwinken aus dem Freundeskreis verblassen lassen.

Aber die Realität ist manchmal eben durchaus nüchterner als manche Fantasie eines Gelegenheitsrauchers: Schon der Zettel („Heute Rauchverbot“) am Eingang hatte ein unangenehmes Gefühl verursacht, irgendwo zwischen Schulparty und Bahnschutz. „Upside down you turning me“ schallt es, und die Frauen, in der Mehrzahl, tanzen tatsächlich anmutig. 13 an der Zahl sind es, im Alter wohl zwischen 19 und 20. Zwischen den Zähnen Lollies, an der Wand Starsky & Hutch.

Upside down die Stimmung des vormals geneigten Partygastes. Immerhin: Die bereitgestellten Milkanuggets, die kleinen blauen, rechteckigen, die es schon lange gibt und die man sich nie selbst kauft, hellen die Stimmung auf. Die danebenliegenden Blisterpäckchen mit „Trolly Vitamin Zwergen“ geben Mut und Kraft. Dazu zwei Weißwein, ein doppelter Wodka und Symbol aka Prince, vielleicht wird’s ja noch was.

Wie in einer H&M-Umkleide rieche es, bemerkt ein in diesen Wochen zum starken Raucher gewordener Partygenosse. Also doch Schulturnhalle samt Mittelstufenparty. Die Partymotivation ist endgültig dahin.

Zeit zum Aufbruch

Dieter Funk, der legendäre Partys schmeißt zur weltgrößten Sportmesse, die halbjährlich in der Stadt gastiert, schaut so aus wie sein Nachname und legt die ebenso entsprechende Musik auf. Wie es läuft? Naja, das Licht, es ist zu hell. Klar, der Rauch fehlt, der die bunten Strahler sonst in ihrer Arbeit unterstützt. Aber an die Nebelmaschine traut er sich dann doch nicht, ein bisschen zu viel Schulparty wäre das oder vielleicht ist auch das Nichtraucherschutz. Beim ebenso politisch korrekten „Just a little bit Respect“ von Aretha Franklin ist dann endgültig der Augenblick zum Aufbruch gekommen.

Vor der Tür, am Vorplatz, steht ein funky Bus. Dieter hat seinen Sonnenbrillen-Promotion-Bus kurzerhand zur Raucherlounge umfunktioniert, sitzt selbst da mit der Kippe. Ein Mädchen wünscht sich dringend Old School Hiphop, Grandmaster oder so was. Klar, leg ich nachher auf, nach der Zigarette wechsel ich wieder an die Plattenteller. Wie’s denn nun weitergeht mit seiner Party? Naja, könnten mehr Besucher sein, klar. Aber so was muss sich erst mal durchsetzen, meint Dieter, bis Februar wollen sie es erst mal versuchen. Und dann: mal schauen.

Vielleicht ist Nichtrauchen bis dahin Gesetzesvorgabe, vielleicht haben die Leute auch dann noch keine Lust auf Clear Clubs.

Dieter zuckt mit den Schultern und zieht an seiner Zigarette.

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