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Klinik-Skandal II, Version Knigge: Bei der Präsentation des Kandidaten Tissen verließ sich das Sozialressort auf eine private Vermittlungsagentur, sagt der entlassene Staatsrat. Schade für Bremen

Von Henning Bleyl

„Sie haben Kappes in Bezug auf Tissen vertraut, und Tissen hat dann seine Hand für Lindner ins Feuer gelegt?“ Dieter Focke, CDU-Obmann im Klinik-Untersuchungs-Ausschuss, fasst die personellen Fehlentscheidungen, die Bremen letztlich 15 Millionen Euro gekostet haben, in einer knappen Frage zusammen. Ex-Sozialstaatsrat Arnold Knigge (SPD), gestern als Zeuge geladen, verweist auf die außerordentlichen Selbstdarstellungsfähigkeiten der mittlerweile geschassten Geschäftsführer, mit denen diese ihre Jobs als Chef des Klinikums Ost (Andreas Lindner) beziehungsweise der gesamtstädtischen Krankenhaus-Holding (Wolfgang Tissen) ergattert hätten. Auch die Vertreter von CDU und SPD seien nach mehrstündigen Treffen mit den Kandidaten begeistert gewesen. Doch offenbar begann die desaströse Krankenhaus-Personalpolitik mit der Entscheidung, die Personalberatungsfirma Kappes & Partner mit der Suche eines Geschäftsführers für die neu gegründete Gesundheit Nord GmbH (Geno) zu beauftragen.

Seit sich Bremen in einen „Konzern“ verwandelt und öffentliche Aufgaben von privaten GmbHs erledigen lässt, ist das ein übliches Verfahren: Statt mit einer herkömmlichen Ausschreibung lässt man sich ausgewählte Kandidaten von einer Personalberatung präsentieren. Damit habe er bislang hervorragende Erfahrungen gemacht, erklärte der Ex-Staatsrat. Mit der Firma des Diplom-Psychologen Wilfried Kappes im nordrhein-westfälischen Hamminkeln entschied sich das Ressort für „die Personalberatung des Gesundheitswesen“ (Eigenwerbung). Kappes bekam 35.000 Euro und präsentierte drei Kandidaten – für Knigge nicht restlos begeisternd, aber auch nicht auszuschließen. Doch drei Tage vor der angepeilten Entscheidung kam Tissen über einen Kontaktmann ins Spiel – und wurde von Kappes kurzfristig als hochinteressanter Bewerber qualifiziert.

„Herr Kappes hat uns nicht gesagt, dass er Tissen bereits in seiner Vermittlungsdatei hatte“, erklärte Knigge. Gegenüber der taz bestätigt der Personalberater, dass er Tissen aus dessen Zeit bei den sauerländischen WKA-Kliniken kannte. Und warum liegen von Tissen so gut wie keine Personalunterlagen vor? „Weil er auf dem Nebenweg ins Verfahren kam“, schließt Kappes – „ich habe eine gute Arbeit gemacht“ – den Kreis. Warum hat das Ressort keine Referenzen von Tissens früheren Arbeitgebern angefordert – wodurch Tissens zum Teil wenig erfolgreiche Tätigkeiten bekannt geworden wären? Beim Auswahlverfahren habe der Personalberater die „administrative Hoheit“, erläutert Knigge.

Auch seine Informationen über übliche Gehaltshöhen bezog die Behörde von der Personalberatung: Tissen wollte 300.000 Euro. Aufgeteilt in 170.000 Grundgehalt – „so war das im Senat darstellbar“, erklärte Tissen in seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung – und einer als erfolgsabhängig definierten Tantieme. Die nichtsdestotrotz monatlich im voraus gezahlt wurde. Laut Knigge eine „gängige Praxis“ in den Bremischen Gesellschaften.

Bei Lindners Einstellung, die auf massives Drängen Tissens zustande gekommen sei, gestalteten sich die Gehaltsverhandlungen einfacher. Knigge: „Er war mit 100.000 plus Tantiemen ganz schnell einverstanden.“ – „Weil er schon wusste, dass er Bremen auf andere Weise ausplündern wollte?“, fragt die grüne Ausschuss-Chefin Linnert. Knigge bestätigt: „Heute kann ich das nicht anders sehen.“

Heute im Ausschuss: Senatorin a.D. Karin Röpke, 10 bis 18 Uhr Börsenhof A, Raum 416, Eingang Marktstraße. Kappes kommt am 9. Januar.

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