zwischen den rillen: Es funktioniert: Auch im Hiphop kann man nun älter werden
Die großen Fragen sind Antwort genug: Mit seinem neuen Album „Hiphop Is Dead“ kehrt Nas zu alter Form zurück
Es ist ein eigenartiger Hiphop-Winter. Nicht, dass es an sehr guten und manchmal sogar brillanten Alben mangeln würde. „Hiphop Is Dead“, die neue Platte des New Yorker Rappers Nas, steht in einer Reihe mit den Würfen von Snoop Dogg und Jay-Z. Doch man sieht es den Namen schon an: Es sind die Altmeister, die die Akzente setzen, Künstler, die ihr siebtes oder achtes Album am Start haben – eine Länge der Karriere, die es im Hiphop so bisher gar nicht gab und für die das Genre in seiner Feier des ewigen afro-amerikanischen Unterschichtsadoleszenten auch gar nicht vorgesehen zu sein schien. Jay-Z versuchte sich mit „Kingdom Come“ aus dem drohenden Sinnstiftungsdefizit zu retten, indem er das Älterwerden als Verfeinerung der eigenen Genussfähigkeit beschreibt. Bei Nas liegt die Sache etwas komplizierter – „Hiphop Is Dead“ beschäftigt sich vornehmlich mit dem Tod.
Gar nicht so sehr mit dem Tod des Genres, den Titel kann man getrost als reine catchphrase abtun. Eine andere Frage ist ihm viel wichtiger: Warum bin ausgerechnet ich durchgekommen, und nicht die anderen? Durch fast alle Stücke von „Hiphop Is Dead“ zieht sich diese Sorge: Was wird die Nachwelt von mir halten? Werde ich genauso vergessen wie dieser Rapper und jene Sängerin? Wie kann man die Vergangenheit am Vergehen hindern? Und: Soll man das überhaupt? Große Fragen. Beantworten kann man sie natürlich nicht, aber irgendwie fühlt es sich gut an, wenn jemand drüber redet. Zumal wenn es Nas ist, dessen Debüt „Illmatic“ 1994 sowohl Höhe- als auch Endpunkt des Goldenen Zeitalters des Hiphop war. Eine Ära, in der alles Mögliche zusammenzugehören schien, was in den folgenden Jahren auseinanderkrachte: Geschichten erzählen und droppin’ knowledge, Straßeneckenphilosophie und Bücherwissen, Geld verdienen und idealistisch an den kollektiven Aufstieg glauben, Geschichtsbewusstsein und Zukunftsglaube.
Nas war nicht ganz unbeteiligt am Zusammenbruch dieser Hiphop-Phase, zusammen mit Puff Daddy erfand er die so schön „Bling Bling“ benannte Ikonografie des Reichtums, die Hiphop bis heute prägt. Er hatte nur wenig davon, weil sie seinem Talent entgegenlief – Nas ist ein Geschichtenerzähler, ein Intellektueller, ein Zusammenhänge-Hersteller. Kein Hustler, kein Unternehmer, kein Marketingfachmann wie etwa Jay-Z, mit dem sich Nas jahrelang um den Hiphop-Thron von New York kabbelte. Die Battles verlor er samt und sonders; und auch nun, wo er bei der Plattenfirma unter Vertrag ist, die Jay-Z leitet, hat er den schlechteren Veröffentlichungstermin bekommen. Fünf Tage vor Weihnachten kam „HipHop Is Dead“ heraus, da hatte Jay-Z schon gründlich abgeräumt.
„Hiphop Is Dead“ spielt trotzdem in einer Liga mit den anderen großen Hiphop-Platten der Saison. Es mag immer eine der Schwächen von Nas gewesen sein, zu oft die falschen Rhythmustracks für seine Lyrics auszuwählen, dieses Mal gibt es nicht einen Fehlgriff: Kanye West hat ihm etwa zwei wunderbar soulgetriebene Tracks geschrieben. Und auch wenn das Ende der Platte so vorhersehbar ist wie der Titel „catchy“ (natürlich ist Hiphop gar nicht tot! Hiphop ist immer so lebendig wie die, die ihn leben! This is our thing! For real! etc.), es ist doch eine Freude zu hören, dass Nas wieder auf Augenhöhe mit jenem Versprechen Musik macht, das er mit seinem ersten Album gegeben und seitdem so oft enttäuscht hat – dass Form und Inhalt, Erfolg und Kunst eben kein Widerspruch sein müssen. TOBIAS RAPP
Nas: „Hiphop Is Dead“ (Def Jam/Universal)
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