: Bußgeld für den Umweltschwindel
Deutschland soll Millionenstrafe wegen des Ausbaus des Hamburger Airbuswerkes an die EU zahlen. Dafür wurde ein Naturschutzgebiet zerstört. Die versprochenen ökologischen Ausgleichsflächen aber wurden bis heute nicht geschaffen
aus Hamburg SVEN-MICHAEL VEIT
Der Riesenjet Airbus A 380 könnte Deutschland und die Hansestadt Hamburg teuer zu stehen kommen. Die EU-Kommission hat beiden Millionenstrafen angedroht. Denn die ökologischen Ausgleichsflächen, die in Norddeutschland als Ersatz für die Erweiterung des Hamburger Airbus-Werks geschaffen werden müssen, gibt es bis heute nicht. Nach europäischem Recht können deshalb Vertragsstrafen von mehr als 100.000 Euro pro Tag verhängt werden.
In einem jetzt bekannt gewordenen Schreiben vom 15. Dezember an die Bundesregierung moniert EU-Umweltkommissar Stavros Dimas, dass der Bund und der Hamburger Senat ihren naturschutzrechtlichen Verpflichtungen bislang nicht nachgekommen sind. Das bestätigte der Sprecher der Hamburger Wirtschaftsbehörde auf Anfrage der taz. Einzelheiten über Summen und Fristen wollte er allerdings nicht nennen. Formal müsse zunächst das Bundesumweltministerium der EU-Kommission Rede und Antwort stehen.
Im Jahr 2000 hatte Hamburg damit begonnen, einen großen Teil der Elbbucht Mühlenberger Loch zuzuschütten, um dem Flugzeugkonzern Erweiterungsflächen für die Montage des weltgrößten Passagierflugzeugs A 380 zu bieten. Die EU hatte zugestimmt, weil sie den versprochenen Arbeitsplätzen Vorrang einräumte. Allerdings verlangte sie für die vernichteten rund 140 Hektar des nach mehreren europäischen Richtlinien geschützten Süßwasserwatts gleichwertigen Naturersatz in unmittelbarer Nähe. Das Watt war eines der letzten in Europa gewesen. Diese Auflage aus Brüssel aber ist nur zum Teil erfüllt worden.
Da der Stadtstaat Hamburg keine Flächen zu bieten hat, musste er seine Nachbarn um Hilfe bitten. Ein Teil der niedersächsischen Elbinsel Hahnöfersand wurde bereits auf Kosten der Hansestadt abgebaggert und zu einem Wattgebiet für Vögel, Fische und Pflanzen umgestaltet, die aus dem Mühlenberger Loch vertrieben worden waren.
Zwei weitere Flächen auf dem schleswig-holsteinischen Elbufer aber gibt es noch immer nicht – weil Umweltschützer diese „Mogelpackung“ verhindert haben. Im September vorigen Jahres stoppte das Verwaltungsgericht Schleswig auf Antrag der Verbände BUND und Nabu die geplante „Aufwertung“ eines Marschgebiets an der Elbe im Kreis Pinneberg. Dieses sei bereits „ein hochwertiges Vogelschutzgebiet nach EU-Recht“, befanden die Richter. Deshalb könne es kein gleichwertiger Ersatz für ein vernichtetes Biotop sein. Hamburg sei damit verboten worden, „aus zwei Schutzgebieten eines zu machen“, freute sich Schleswig-Holsteins BUND-Chefin, Sybille Macht-Baumgarten.
Die EU-Kommission aber besteht nun auf Einhaltung der Verträge. Hamburg wird wohl zahlen oder seine Nachbarn erneut um einige hundert Hektar elbnahe Wiesen bitten müssen.
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