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Alte Meister, neue Geschichten

GOLDENES ZEITALTER Der Museumsbesuch als spannende Zeitreise im neugestalteten Mauritshuis in Den Haag und im Rijksmuseum in Amsterdam

Alte Kunst

■ Mauritshuis: Die Sammlung befindet sich in einem Gebäude aus dem 17. Jahrhundert, mitten in Den Haag; www.mauritshuis.nl

■ Calder-Ausstellung: 14 moderne Skulpturen von Alexander Calder sind vom 21. Juni bis 5. Oktober 2014 im Amsterdamer Rijksmuseum zu sehen mit seiner größten Sammlung holländischer Kunst des 17. Jahrhunderts; www.rijksmuseum.nl

■ Kunsttour: Wo hat Rembrandt sein Gemälde „Die Nachtwache“ gemalt? Die Blue Boat Company und das Rijksmuseum präsentieren eine Amsterdam-Kreuzfahrt, die die Gäste zurückführt in die Zeiten des 17. Jahrhunderts; www.blueboat.nl

VON EDITH KRESTA

Endlich wieder einmal Bilder, die eine Geschichte erzählen“, sagt Anna, die abstraktionsverwöhnte Kunstkritikerin aus Berlin, beim Gang durch die neugestalteten Räumlichkeiten des Mauritshuis mitten in Den Haag. Diese kleine Pinakothek, einst das stattliche Privatpalais des holländischen Brasilien-Gouverneurs Johan Maurits (1604–1679), besitzt mit ihren 800 Gemälden eine der wichtigsten Sammlungen holländischer Meister des 17. Jahrhunderts. Es wurde gerade nach zweijährigen Bau- und Renovierungsarbeiten wieder eröffnet. Der Umbau war kein Facelifting, sondern eine Umgestaltung und Vergrößerung, die 30 Millionen verschlang.

„Wirklich ein Schatzkästchen“, lobt Anna vor dem Bild „Der Garten Eden“, dem üppigen Gemeinschaftswerk von Jan Brueghel und Peter Paul Rubens, auf der neuen grünen Seidentapete. Die holländische Malerei des 17. Jahrhunderts lässt Fantasien, Vorstellungen, Ängste und Werte dieser Epoche lebendig werden, aber vor allem zeigt sie den Alltag der Menschen. Detailverliebte Bildreportagen, gemalt von Malerdynastien: das Besäufnis im Wirtshaus oder im trauten Familienkreis inklusive alkoholisierten Kleinstkindes – „Wie die Alten sungen, so pfeifen die Jungen“ von Jan Steen; ein Dorf im Winterkleid, „Auf dem Eis“ von Hendrick Avercamp.

Die Geschichten, zu denen dieses kleine Privatmuseum inspiriert, sind längst Bestseller. Hier hängen Ikonen wie „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ von Johannes Vermeer, das Tracy Chevalier im gleichnamigen Roman als Vorlage benutzte. Die Romanverfilmung lockt heute vor allem japanische Fans ins Mauritshuis. Sie lieben das blonde Kind. Der neue Star der Literaturszene ist jedoch das Bild „Der Distelfink“ von Carel Fabritius. Der gleichnamige Erfolgsroman von Donna Tartt mit seinen tausend Seiten wird selbstverständlich auch im neuen Museumsshop vertrieben, gleich neben den iPad-Hüllen und Kosmetiktäschchen mit dem Porträt der Mona Lisa des Nordens, des Mädchens mit dem Perlenohrring.

Der spannende, hochgelobte Roman der amerikanischen Autorin Donna Tartt dreht sich um das Bild des Distelfinks, den der junge Theo Decker, die Hauptfigur, bei einem Anschlag auf das Metropolitan Museum in New York entwendet hat. Das Bild wird ihm nach dem Tod seiner Mutter, die beim Anschlag ums Leben kam, zum Seelentröster.

„Kunst ist Therapie“ prangt auf einem leuchtenden Schriftzug am Eingang des Rijksmuseum in Amsterdam. Hochaltar in dem kirchenähnlichen neugotischen Museumsbau ist Rembrandts Großbild „Die Nachtwache“. Es ist stets umstellt von Besuchern aus Holland und der ganzen Welt.

„Ich denke, in den Niederlanden ist die Kulturgeschichte relativ ungebrochen durch die Jahrhunderte tradiert worden. Anders als in Deutschland“, sagt Professor Gregor Weber, Hauptabteilungsleiter Bildende Künste im Rijksmuseum. „Geschichte ist hier vielmehr sichtbar, wenig zerstört: Wenn man durch Amsterdam läuft und die schönen Grachtenhäuser sieht, dann findet man diese und ihre damaligen Besitzer auf den Bildern wieder.“ Der Museumsbesuch als spannende Zeitreise.

„Fast drei Millionen Besucher hatte das Rijksmuseum seit seiner Wiedereröffnung im letzten Jahr“, sagt Marketingmangerin Nikki Smeets. Die aufwendige Renovierung habe sich gelohnt. Das goldene Zeitalter der holländischen Malerei sei ein touristisches Highlight. Gefragte Kulturgeschichte, wie die historischen Puppenhäuser im Museum. Selbst das Porzellan der akribisch ausgeschmückten Miniaturhäuser wurde damals aus China importiert. Obsessionen einer reichen Handelsnation. Das goldene Zeitalter eben.

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