Letzte Zonenrandförderung für Lüneburg

Die EU zählt den ehemaligen Regierungsbezirk zu den ärmsten ihrer Regionen und unterstützt ihn deshalb mit 800 Millionen Euro. Befürchtungen, Niedersachsen könnte das Geld nützen, um Firmen aus Hamburg abzuwerben, gelten als unbegründet

VON GERNOT KNÖDLER

Was hat der ehemalige Regierungsbezirk Lüneburg mit Südspanien gemeinsam? Ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, das kleiner ist als 75 Prozent des europäischen Durchschnitts. Wie Südspanien, aber auch Ostdeutschland ist dieses „Armenhaus“ von der EU deshalb zu einem besonderen Fördergebiet erklärt worden. Von 2007 bis 2013 hilft die Gemeinschaft mit 800 Millionen Euro zu günstigen Konditionen. Die niedersächsische Landesregierung will das Geld benutzen, um Arbeitsplätze zu schaffen und die Wirtschaft konkurrenzfähiger zu machen. Befürchtungen, das Geld werde benutzt, um Unternehmen aus Hamburg aufs Land zu locken, weist die Landesregierung zurück. „Das ist mit unseren Kriterien und Förderrichtlinien nicht vereinbar“, versichert Christian Haegele, der Sprecher des Wirtschaftsministeriums.

Die Region ist uneinheitlich strukturiert. Sie erstreckt sich vom Wendland bis nach Cuxhaven und umfasst einen Teil des Hamburger Speckgürtels sowie die Lüneburger Heide. Dass ausgerechnet dieses Gebiet besonders rückständig sein soll, leuchtet nicht sofort ein. Vor dem inneren Auge taucht vielmehr das Bild der schnuckeligen Universitätsstadt Lüneburg auf oder der Landkreis Harburg, in dem reiche Leute wie Dieter Bohlen wohnen.

Das Paradoxon erklärt sich aus dem von der EU gewählten Kriterium Bruttoinlandsprodukt als der Summe der pro Kopf erzeugten Waren und Dienstleistungen. „Wenn man das verfügbare Einkommen zugrunde gelegt hätte, sähe das anders aus“, sagt Rolf Jenkel von der Handelskammer Hamburg. Etliche Menschen, die in der Region wohnen, arbeiten in Hamburg. Sie tragen zur Wertschöpfung der Stadt bei, während ihr Einkommen dem Land zugutekommt.

Unternehmen seien in die Fördergebiete in den neuen Ländern abgewandert – erklärt Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), dass die Wirtschaftsleistung der Region unter den Durchschnitt der alten 15 EU Staaten gefallen ist. Werden die Neumitglieder einbezogen, ist es mit dem Armenstatus vorbei.

Hamburg müsse keine Angst haben, dass Niedersachsen jetzt Betriebe abwerbe, sagt Ingo Egloff, Wirtschaftsexperte der Hamburger SPD-Bürgerschaftsfraktion. „Wir sind auf die Metropolregion angewiesen und die Metropolregion auf uns.“

Das Konstrukt „Metropolregion“ wurde geschaffen, um die Pläne Hamburgs und seiner benachbarten Landkreise in Niedersachsen und Schleswig-Holstein aufeinander abzustimmen. „Wir haben aufgehört, in Ländergrenzen zu denken“, versichert Eckhard Jacobs, der Sprecher der Metropolregion. „Es ist unwichtig, wo sich Unternehmen ansiedeln“, findet er. „Wichtig ist, dass sie sich ansiedeln.“ Ohnehin platze Hamburg aus allen Nähten. Für die Metropolregion insgesamt könnten mehr Fördermittel nur gut sein.

Wie Jacobs hält es der Handelskammer-Mann Jenkel für unwahrscheinlich, dass mit den Fördermillionen Unternehmen aus Hamburg abgeworben werden. Sowohl die norddeutschen Wirtschaftsminister als auch die Wirtschaftsförderer in den Kommunen hätten vereinbart, sich nicht gegenseitig die Firmen abzuwerben, sagt Jenkel.

„Wir haben natürlich ein Interessen an Ansiedlungen, aber nicht um den Preis der Wettbewerbsverzerrung“, versichert Haegele. Das habe das Land jüngst im Fall der Solarfabrik gezeigt, um die Clausthal mit Standorten in Thüringen konkurriert, sagt der Sprecher des Wirtschaftsministeriums.

Wer wie viel von dem Fördergeld kriegt, will Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) „in einem Wettbewerb der Konzepte und Ideen“ ermitteln. Am 28. Dezember habe das Land die Programmentwürfe mit den Zielen der Förderung zur Genehmigung nach Brüssel gesandt, sagt sein Sprecher Haegele. Parallel dazu erarbeite das Ministerium bereits die Förderrichtlinien mit den Kriterien, nach denen die Anträge geprüft werden sollen. Unterstützt werden demnach die wirkungsvollsten Projekte, diejenigen, die am meisten Arbeitsplätze schaffen, die am nachhaltigsten wirken und besonders stark die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Das Geld werde „nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt“, verspricht der Minister.

Die Region Lüneburg profitiert zwar besonders von der EU-Förderung: Hier ist die Fördersumme besonders hoch und der vom Land oder der Privatwirtschaft gegenzufinanzierende Anteil besonders niedrig. Doch auch der Rest des Landes wird mit knapp 900 Millionen Euro aus dem Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) bedacht. Dazu kommen für ganz Niedersachsen 815 Millionen Euro zur Förderung des ländlichen Raums. Mit dem EFRE-Geld will die Landesregierung kleine und mittlere Unternehmen fördern, die Innovationskapazitäten und die Infrastruktur verbessern. Das Geld aus dem Sozialfonds soll der Qualifikation der Beschäftigten zugutekommen.