portrait: Kolumbiens Stimme der Ungehörten
Nach 52 Tagen war die Untersuchungshaft vorbei. Vorgestern ordnete die Staatsanwaltschaft im kolumbianischen Cartagena die Freilassung des Fernsehjournalisten Freddy Muñoz an, dem sie am 19. November „Rebellion und Terrorismus“ vorgeworfen hatte. Doch der 36-Jährige, der für den linken lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur aus seinem Heimatland berichtet hatte, fürchtet um sein Leben und wird wohl ins Exil gehen.
Als Muñoz im November von einer Fortbildung aus Caracas zurückkam, griff der Geheimdienst auf dem Flughafen von Bogotá zu. Muñoz solle 2002 an Anschlägen der Farc-Guerilla an der Karibikküste beteiligt gewesen sein, so der Vorwurf. Wie oft bei politischen Verfahren in Kolumbien waren die Belastungszeugen angebliche oder tatsächliche Exrebellen, denen handfeste Vorteile versprochen werden. Einer von ihnen widerrief bereits am 5. Dezember gegenüber einem Justizbeamten: „Ich will nicht länger Leute beschuldigen, die ich nicht kenne.“ In der Küstenregion sind seit Amtsantritt von Präsident Álvaro Uribe rund 300 Menschen wegen Aussagen solcher Informanten festgenommen – und über 250 wieder freigelassen – worden.
1970 wurde Telesur-Gründungsmitglied Muñoz in Cartagena geboren, wo bereits sein Vater Journalist war. Ab 1994 arbeitete der jungenhaft wirkende Reporter dort für diverse Zeitungen und Fernsehkanäle. Später produzierte er Dokumentarfilme über soziale Themen. Seine Kollegen beschreiben ihn als ruhigen, bescheidenen Profi, dessen soziales Engagement nicht von seiner Arbeit zu trennen ist. „Bei seinen Reportagen in Kriegsgebieten geht er sehr sensibel mit den Menschen um“, sagt die Journalistin Constanza Vieira.
Die Verhaftung wurde von Intellektuellen, KollegInnen, der venezolanischen Regierung und „Reporter ohne Grenzen“ als Anschlag auf die Pressefreiheit gegeißelt. Die wesentlich von Muñoz getragene Kolumbien-Berichterstattung von Telesur ist weitaus regierungskritischer als die der einheimischen Medien. Dass neben Politikern oder Sozialaktivisten auch regelmäßig Guerilleros zu Wort kommen, stört die Regierung besonders.
Vor seiner Festnahme berichtete Muñoz mehrfach über Verbindungen zwischen den rechten Paramilitärs und dem Polit-Establishment, die in Nordkolumbien besonders eng sind.
Seine Frau Alcira sagte, da ihr Mann in Lebensgefahr schwebe, hätten sie schon erwogen, ins Exil zu gehen. „Das tut mir weh“, so Muñoz kurz nach der Freilassung, „denn wir haben es geschafft, dass über Telesur die Stimmen jener gehört wurden, die sonst verschwiegen werden“. GERHARD DILGER
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