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Ist „Wetten, dass..?“ noch gute Unterhaltung?JA

SHOW Elstner, Lippert, Gottschalk – seit dreißig Jahren wird im Zweiten Deutschen Fernsehen um die Wette gesendet. Aber manchmal wirkt das Ganze wie ein Relikt

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Die sonntaz-Frage wird vorab online gestellt. Immer Dienstagnachmittag. Wir wählen interessante Antworten von Lesern und Leserinnen aus und drucken sie in der nächsten sonntaz.

taz.de/sonntazstreit

Frank Elstner, 68, hat „Wetten, dass..?“ erfunden und über sechs Jahre moderiert

Die Fantasie der Zuschauerinnen und Zuschauer kennt keine Grenzen und es werden immer neue kreative Wettideen eingesendet. Thomas Gottschalk ist bis heute ein großartiger Zeitgeistmoderator, der im Couch-Gespäch mit den Gästen der Sendung ihren unverwechselbaren Charme gibt. Sinkende Quoten sind auf einem größer werdenden Fernsehmarkt eine durchaus normale Entwicklung. „Wetten, dass..?“ ist immer noch ein großes Schiff, das aus dem Samstagabendfernsehen nicht mehr wegzudenken ist. Obwohl ich Samstagabend inzwischen meine eigene Sendung habe, komme ich hin und wieder dazu, die Show zu schauen. Und ich sehe sie mit Interesse und Begeisterung.

Volker Herres, 53, arbeitet als ARD-Programmdirektor und Fernsehjournalist

Wetten, dass niemand diese Frage stellen würde, wenn die Show noch die gleichen Quoten wie vor zehn Jahren hätte? „Wetten, dass..?“ ist nach wie vor sehr gut gemachte Familienunterhaltung, die ihren Reiz nicht daraus bezieht, dass Leute vor laufender Kamera fertiggemacht und bloßgestellt werden. Das mag altmodisch klingen, aber für mich sind diejenigen, für die Fernsehen gleich Voyeurismus ist, die wahren Spießer. All das hat Thomas Gottschalk nicht nötig – seine Show bezieht ihren Spaßfaktor aus den originellen Wetten und seinem charmant-launigen Umgang mit den Gästen. Dass hier keine Quoten-Zyniker am Werk sind, hat Gottschalks emotionale und dabei souveräne Reaktion auf den tragischen Unfall im Dezember gezeigt. Es gibt einige wenige Archetypen von Spielshows. „Wetten, dass ..?“ ist so ein Original und hat sich dennoch stetig weiterentwickelt. Es heißt zwar „Trau keinem über dreißig“, aber „Wetten, dass..?“ trau ich noch einiges zu.

Beate Wedekind, 59, ist Journalistin und arbeitete als Chefredakteurin der Bunten

„Meine“ erste „Wetten, dass..?“-Sendung war am 16. Mai 1981, die dritte von allen. Der Schauspieler Karlheinz Böhm richtete einen flammenden Appell an die Zuschauer, für die verhungernden Kinder in der Sahelzone zu spenden. Das war die Gründung seiner Äthiopienhilfe „Menschen für Menschen“. Ich habe bisher vielleicht zehn Shows verpasst, aber ich bin aus purer Gewohnheit dabei. Ich mag die dummen Sprüche von Thomas Gottschalk und die Prominenten auf der Couch, wenn sie sich langweilen. Ich kann mich nicht satt sehen am Saalpublikum, den Damen und Herren, die mehr oder weniger gut gealtert sind, wie Gottschalk und ich, und in jeder Stadt gleich aussehen. Ich bin als Fernsehzuschauer ein Voyeur und fühle mich deshalb gut unterhalten. Ich bin da ganz altmodisch. Wie „Wetten, dass..?“ Ach so, die Wetten? Die sind für mich Beiwerk. Ich kann mich an keine genau erinnern.

Wolfgang Lippert, 58, ist Schauspieler und Ex-„Wetten, dass ..?“-Moderator

Ich finde „Wetten, dass ..?“ ist einfach spitzenmäßige Unterhaltung. 30 ist doch ein schönes Alter – auch für eine Show. Und es funktioniert. Immer noch! Das mag als ein kleines Wunder erscheinen, wo heute alles schnell hochgejubelt wird, aber genauso schnell wieder abstürzen kann. Einfach genial, wie Frank Elstner damals ein Format geschaffen hat, das zeitlos aktuell ist. Das Geheimnis ist die Botschaft dahinter: Trau dich mit deiner aberwitzigsten Leidenschaft vor ein Millionenpublikum! Sei ein Star, wenn auch nur für einen einzigen großen Moment. Diese Sendung hat nicht nur das Publikum mitgenommen, das mit ihr aufgewachsen ist, sie hat auch neue Fans gezogen. Es ist ein Qualitätsprädikat, dass sich alle Generationen dafür begeistern können. Man sollte jedoch aufpassen, dass die ursprüngliche Idee der Kandidatenshow nicht vom Promi-Talk in den Hintergrund gedrängt wird.

NEIN

Georg Seeßlen, 62, ist Filmkritiker, Dokumentarfilmer und Hochschuldozent

Alle lebenden Dinge haben ihre Zeit. Das gilt für Menschen ebenso wie für Fernsehprogramme. Und nicht zur rechten Zeit zu enden kann für ein Unterhaltungsformat beinahe genau solch peinigende Folgen haben wie die Weigerung eines Politikers, sich zur rechten Zeit zurückzuziehen. „Wetten, dass..?“ war ein Transformationsmittel unseres Fernsehens, von der beschaulichen Samstagabendunterhaltung für das Post- und Pseudo-Bildungsbürgertum der Art von Hans-Joachim Kulenkampffs „Einer wird gewinnen“ zur „Für-Geld-und-Aufmerksamkeit-Machen-wir-alles“-Demütigungsmaschinerie der Dschungelcamps. Das ist die kultivierteste Art von Trash-Fernsehen. Oder die trashigste Form von „Fernsehkultur“, wie man es nimmt. Die Idee ist einfach: Ein arrivierter Teil der Unterhaltungsindustrie besitzt da ein Forum, neue Filme, neue Platten, neue Bücher zu promoten und schon ein paar Häppchen davon zu servieren. Darunter spielt sich das Schauspiel des „Helden für einen Tag“ ab. Das (Fernseh-)Volk hat hier seinerseits ein Forum, zu zeigen, welche verborgenen Talente und Energien in ihm schlummern. Gezeigt werden darf beinahe alles, vorausgesetzt, es hat keinen Sinn. In der Frühzeit des „Wetten, dass..?“-Formats war diese Offenbarung eines verborgenen Volksvermögens durchaus optimistisch aufgeladen. Ein Nonsens-Fest des kreativen Überschusses. Doch die Verhältnisse haben sich dramatisch geändert. Im Fernsehen und im richtigen Leben. Das Medium feiert nun gern den Unwert des menschlichen Lebens. Insofern mag der Unfall während einer Sendung dann doch symptomatischer sein, als es uns lieb ist. Die Verbindung von Trash-Elementen und „gepflegter“ deutscher Fernsehunterhaltung ist langsam, aber sicher als Illusion sichtbar. Und am Ende gelingt es auch dem Optimismus- und Boom-Relikt Thomas Gottschalk nicht mehr, die hysterische Energie des schlechten Geschmacks zu zähmen.

Holger Kreymeier, 39, bloggt über das deutsche Fernsehen auf Fernsehkritik.tv

Kuli, Carrell und „Wetten, dass..?“ boten einst große, kreative Unterhaltung. Das ist keine Verklärung: Ich habe viele der alten Shows im Archiv und finde sie auch heute noch toll. „Wetten, dass..?“ gibt es zwar immer noch – aber mit den Ausgaben früherer Jahre hat die Show wenig zu tun. Zwar erscheinen gelegentlich Weltstars (und hauen dann gleich wieder ab), auf der anderen Seite nehmen auf dem Sofa aber auch unwitzige Comedians und andere schräge Vögel Platz, die man eh schon fünfmal pro Woche ertragen muss. Ich weiß nicht, wie oft allein Atze Schröder in den letzten zwei Jahren zu Gast war. Dazu kommt die nervige Michelle Hunziker, deren Verpflichtung als Co-Moderatorin mir bis heute ein Rätsel ist. Der einzig kluge Satz aus ihrem Mund lautete: „Einen Arzt, bitte“, in der Ausgabe, die bekanntlich vorzeitig endete. Vielleicht führt der schreckliche Unfall ja dazu, dass die Show zu mehr Seriosität zurückkehrt und sich auf ihre Stärken, nämlich exklusive Gäste und starke Wetten, besinnt. Gute Unterhaltung und Niveau sind kein Gegensatz – sie bedingen einander.

Doris Hillebrand, 52, hat einen Ökobauernhof in Ungarn und kommentierte auf taz.de

„Wetten, dass..?“ interessiert mich schon seit zehn Jahren nicht mehr. Ich könnte die Sendung nicht sehen, ohne zu leiden. Die Gäste, diese „wahnsinnigen Megastars“, nutzen die Show einzig für Eigenwerbung. Ich brauche das so sehr wie eine dritte Schulter. Und die Wetten? So kann man natürlich auch Lebenszeit verbringen. Es mutet seltsam an, dass die Ressource Zeit freiwillig mit so einem sinnlosen Geplapper und abstrusen, vom Leben weit entfernten Wetten vergeudet wird. Traurig ist, dass erst der Unfall passieren musste, um eine Diskussion in Gang zu setzen. Ich würde mir wünschen, dass man unbekannten Talenten aus dem Kulturbereich eine Chance gibt, sich den Massen vorzustellen. Einfach ein kleiner, feiner ungeschliffener Rohdiamant. Aber nicht immer diese Wettbewerbe! Sie machen die Menschen auf Dauer kaputt.

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