: Lehrstellen-Leerstand im Norden
AUSBILDUNG Kurz vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres sind noch viele Lehrstellen unbesetzt. Vor allem im Einzelhandel fehlen BewerberInnen
Kaufleute im Einzelhandel, FachinformatikerInnen, Hotelfachkräfte: Viele Unternehmen in Norddeutschland suchen noch nach Auszubildenden für das bald beginnende Lehrjahr. „Wenn vor einigen Jahren die Lage auf dem Ausbildungsmarkt für Bewerber angespannt war, so ist sie es heute für unsere Unternehmen“, sagt Volker Müller, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN).
Kaum vier Wochen vor dem offiziellen Ausbildungsbeginn gibt es bundesweit 30.000 unbesetzte Lehrstellen. Auch im Norden hat ihre Zahl weiter zugenommen. In Schleswig-Holstein werden aktuell 810 Azubis zu Einzelhandelskaufleuten, 478 Azubis zu VerkäuferInnen und 318 Azubis zu VerkäuferInnen mit Fachrichtung Bäckerei gesucht. Mehr BewerberInnen als Angebote gibt es dagegen bei Industrie- und Gesundheitsberufen. Hauptgrund dafür sind attraktive Bezahlung oder gute Aufstiegschancen.
In Hamburg wurden im Mai wieder mehr Lehrstellen besetzt als in den vergangenen Jahren. Trotzdem gibt es auch dort mehr Stellen als BewerberInnen. „Es bestehen derzeit noch sehr gute Chancen, einen Ausbildungsplatz zu bekommen“, sagt Oliver Thieß von der Handwerkskammer. Zu den beliebtesten Ausbildungsberufen gehören derzeit: ElektronikerIn, MalerIn und LackiererIn oder FriseurIn – Berufe, in denen auch der Fachkräftemangel besonders ausgeprägt ist.
Schuld am Azubi-Mangel ist aus Sicht des UVN nicht nur der demografische Wandel mit geburtenschwachen Jahrgängen. Auch die Zahl der Schüler, die beim Übergang von der Schule in den Beruf große Probleme haben, sei immer noch zu groß. „Bei abnehmender Zahl an Bewerbern und unzureichender Ausbildungsreife werden wir Ausbildungsplätze verlieren, wenn wir nicht systematisch gegensteuern“, sagt Müller. Gerade in Mathematik und Deutsch gebe es große Defizite.
Auch fehlende Sozialkompetenz wird von den Betrieben beklagt. Ein weiteres Problem: Gerade für GymnasiastInnen ist eine klassische Ausbildung offenbar unattraktiv. Aus dem aktuellen Bildungsbericht geht hervor, dass immer mehr Schulabgänger das Studium einer Ausbildung vorziehen. Im letzten Jahr gab es erstmals mehr Studienanfänger als Azubis.
„Wir müssen die Berufsorientierung stärken, Schüler systematisch am Übergang begleiten, mehr Abiturienten für eine Berufsausbildung gewinnen und gleichzeitig mehr Chancen für schwächere Jugendliche schaffen“, sagt Müller. Dabei sind auch die Unternehmen gefragt: Laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund bildet inzwischen nur noch jedes fünfte Unternehmen aus. Gerade für schwächere SchulabgängerInnen gibt es aus DGB-Sicht viel zu wenig passende Angebote. BIRK GRÜLING
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