: Das kaspische Gold
AUS BAKU MARCUS BENSMANN
Den Tod des turkmenischen Despoten Saparmurad Nijasow Ende Dezember betrauerte der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko mit rührenden Worten. „Saparmurad ist in der Ukraine als weiser Politiker und Freund der Ukraine bekannt.“ Das ließ der ukrainische Präsident auf seiner Webseite wissen. Die Erdgasreserven des zentralasiatischen Staates am kaspischen Meer und der Hunger der ukrainischen Wirtschaft danach legten den Grund für die Freundschaft zwischen dem Helden der orangenen Revolution in der Ukraine und einem der bizarrsten Tyrannen, der sein Land bis zu seinem Tod ausgebeutet und es mit einem absonderlichen Personenkult überzogen hatte.
Die Sorge nach dem turkmenischen Rohstoff war wohl auch der Grund, dass kurz nach dem Tod Nijasows die turkmenische Opposition plötzlich in der Ukraine auftauchte und von dort versuchte in die Heimat am Kaspischen Meer zurückzukehren. Loyalitäten und Bündnisse sind im großen Ringen um die Bodenschätze Zentralasiens genauso flüchtig wie der blaue Stoff.
„It is gas“, betitelte die englische Nichtregierungsorganisation „Global Witness“ ihren Report über die dunklen Gasgeschäfte zwischen der Ukraine und Turkmenistan. „Obwohl das Geschäft einen Wert von jährlich mehreren Milliarden US-Dollar hat, ist völlig unklar, wohin die Gelder gehen“, heißt es in dem Dossier. „Sind die EU und ihre Nachbarn in der Lage, den Energiehunger zu stillen, ohne Korruption und schlechtes Regierungshandeln in den Herkunftsländern zu unterstützen?“, fragt die Studie provokativ.
Öl für 300 Jahre
In Zentralasien, vor allem in der Region des Kaspischen Meeres liegen ungeheurer große Öl- und Gasvorkommen. Das US-amerikanische Energieministerium schätzt die möglichen Ölreserven auf ungefähr 32 Milliarden Tonnen. Bei dem jetzigen Verbrauch würde das allein für Deutschland für 300 Jahre vorhalten. Bei Erdgas sieht es noch besser aus. Über 15 Billionen Kubikmeter könnten unter der Steppe und im Meer liegen, das den Weltverbrauch von insgesamt sieben Jahre entsprechen würde.
Das Gazprom-Monopol
Despoten, Korruption und das erdrückende Pipelinemonopol Russlands über die zentralasiatischen Bodenschätze machen jedoch die Nutzung der Energiereserven für Europa zu einem riskanten Spiel.
Die russische Röhrenvorherrschaft hat allerdings erste Risse erhalten. Eine Pipeline schlängelt sich 690 Kilometer vom in aserbaidschanischen Hoheitsgewässern gelegenen Gasfeld Shah Deniz über Georgien an die türkische Grenze. Die South Caucasus Pipeline wurde im Dezember fertiggestellt und wird wie das Gasfeld von einem Konsortium unter der Leitung von British Petroleum betrieben. Bis zu 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas können zukünftig an dem russischen Pipelinenetz vorbei in die Türkei und dann auf den Weltmarkt transportiert werden. Anfänglich sind Exporte allerdings erst nach Griechenland und dann nach Italien vorgesehen.
Mit dem klingenden Namen „Nabucco“ ist eine Pipeline angedacht, die von der Türkei bis vor die Tore Wiens führen und damit das kaspische Erdgas aus der Gefangenschaft der russischen Röhren befreien soll. Jedoch ist das noch Zukunftsmusik. In der ersten Phase kann aus dem Gasfeld Shah Deniz nur knapp 8,6 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich gefördert werden – zu wenig, um den Verbrauch Aserbaidschans und Georgien zu decken und gleichzeitig genügend Gas für den Export nach Europa bereitzustellen. Zudem verzögert sich die Gasförderung, da technische Probleme bei der Hebung des Gasschatzes aus dem Shah-Deniz-Feld noch nicht gelöst seien, wie ein BP-Sprecher in London erklärt.
Gleichwohl wachsen in Baku und Tiflis die Hoffnungen, sich von den russischen Gasimporten lösen zu können. Wie Weißrussland haben auch Georgien und Aserbaidschan von Gazprom zum Jahresende eine ultimative Gaspreiserhöhung aus Moskau erhalten. In letzter Sekunde hat Georgien zugestimmt, den Preis von über 200 US-Dollar für 1.000 Kubikmeter zu zahlen.
Aserbaidschan hat der Preisforderung aus Moskau dagegen standhaft eine Absage erteilt und kurzerhand den Ölexport nach Russland gestoppt. „Dann betreiben wir unsere Kraftwerke lieber mit unserem Öl als mit dem überteuerten russischen Gas“, ließ das aserbaidschanische Energieministerium wissen.
Die Hoffnungen der beiden kleinen Kaukasusstaaten richten sich auf das andere Ufer des Kaspischen Meeres in Zentralasien. Denn die vor allem gewaltigen Gasreserven von Turkmenistan und Usbekistan beherrscht bisher das russische Pipelinemonopol. Turkmenistan hat nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vieles versucht, den Rohstoff an Russland vorbei auf die Weltmärkte zu bringen. Das geplante Pipelineprojekt durch Afghanistan nach Pakistan und Indien bleibt aufgrund des anhaltenden Chaos am Hindukusch Illusion. Die Route durch den Iran ist wegen des Widerstand aus den USA nicht durchsetzbar, und der Iran kann alleine eine solche Pipeline nicht finanzieren. Lediglich ein Tauschgeschäft ermöglicht es, turkmenisches Gas in den Norden Irans zu pumpen – dafür erhält Turkmenistan den Verkaufserlös von iranischen Gas im Süden des Landes.
Das schwarze Gold
Die Vorherrschaft über die Röhren ermöglichte es dem russischen Gaskonzern, den Rohstoff in Turkmenistan und Usbekistan weit unter Preis zu erwerben und dann zu Weltmarktpreisen weiterzuverkaufen. Erst in diesem Jahr konnten Usbekistan und Turkmenistan durchsetzten, dass Gazprom für 1.000 Kubikmeter 100 US-Dollart zahlt, zuvor waren es sogar nur 40 bis 60 Dollar. Bis zu dreißig Prozent seiner Gasreserven will der russische Gaskonzern aus Zentralasien beziehen.
Die störrische Haltung des im Dezember verstorbenen turkmenischen Präsidenten hat verhindert, dass eine Pipeline durchs Kaspische Meer angedacht wurden. Nijasow hat sich derart mit Aserbaidschan über die Aufteilung des Binnenmeeres gestritten, dass sogar die turkmenische Botschaft in der aserbaidschanischen Hauptstadt geschlossen wurde. „Es gab Schwierigkeiten mit Turkmenistan“ sagte ein Sprecher des aserbaidschanischen Außenministers nach dem Tod Nijasows. Das könnte sich nun ändern. „Theoretisch sei eine Einspeisung turkmenischen Gases in die South Caucasus Pipeline möglich“, sagt die BP-Sprecherin in Baku.
Und auch der US-Staatssekretär für Zentralasien Richard Boucher, der an der Beerdingung Nijasows in Turkmenistan teilnahm, erklärte, dass die USA eine Pipelinealternative für Turkmenistan unterstützen wollen, wenn die neuen Herren in dem zentralasiatischen Staat einen Neuanfang wünschten. Sollte die Regierung in Turkmenistan sich zum Bau einer Pipeline durch das Kaspische Meer entschließen und die Grenzstreitigkeiten mit Aserbaidschan beilegen, wäre das russische Gasmonopol gebrochen.
Pipeline nach China
Beim Erdöl ist die Verbindung zwischen dem westlichen und östlichen Ufer des Kaspischen Meeres bereits Realität. Die Gaspipeline durch Georgien wurde bis zur türkischen Grenze entlang der Baku-Tiflis-Ceyhan-Ölpipeline gebaut. Der BTC-Ölstrang, der ebenfalls einem Konsortium unter der Führung von BP untersteht, wird von aserbaidschanischen und kasachischen Ölfeldern gespeist. Die 1.770 Kilometer lange Pipeline an den türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan hat eine weit größere Kapazität, als die aserbaidschanischen Ölfelder liefern können. Kasachstan hat sich im Sommer 2006 bereiterklärt, Öl für die Pipeline von den Vorkommen aus dem Ölfeld Tengiz am östlichen Ufer des Kaspischen Meeres einzuspeisen. Dazu wurden drei Tankschiffe gebaut und ins Kaspische Meer verschifft, die im Pendelverkehr das schwarze Gold an die aserbaidschanische Küste bringen.
Aber nicht nur Europa ist an den Bodenschätzen interessiert. Der Energiehunger der schnell wachsenden chinesischen Wirtschaft lenkt die Blicke Pekings ebenfalls auf die zentralasiatischen Gas und Erdölvorkommen. China hat Milliardeninvestitionen in Usbekistan zugesagt und möchte zudem eine Gaspipeline von Turkmenistan nach China bauen. Das erste Teilstück, das langfristig die kasachischen Ölfelder am Kaspischen Meer mit dem Reich der Mitte verbindet, ist ebenfalls fertiggestellt, und bereits jetzt fließt kasachisches Öl auf direkten Wege nach China.
Despotische Regime
Die despotischen Regime vor allem in Usbekistan und Turkmenistan nutzen kurzfristig vor allem China und Russland im Rohstoffgerangel. Der usbekische Präsident Islam Karimow, der im Mai 2005 einen Volksaufstand gegen sein korruptes Regime mit Panzerwagen blutig zusammenschießen ließ, muss weder von Peking noch Moskau demokratische Ermahnungen fürchten. Und auch dem verstorbenen Turkmenen Nijasow half die Nähe zu Russland, um den bizarren Führungsstil im eigenen Land in Turkmenistan abzusichern, auch wenn dieses mit billigen Gaslieferungen an Russland erkauft wurde.
Ariel Cohen, Spezialist der US-amerikanischen „Heritage Foundation“, plädiert offen dafür, es Russland und China gleichzutun und die Regime der Region nicht mit demokratischen Forderungen zu konfrontieren. Die deutsche Außenpolitik, die unter der EU-Präsidentschaft an einer Zentralasienstrategie arbeitet, folgt diesem Rat und versucht mit allen Mitteln, die Beziehungen vor allem zu dem usbekischen Diktator zu normalisieren. Dabei warnt „Global Witness“, dass in korrupten Regime die Bevölkerung nicht vom Reichtum der Rohstoffe profitiert und stattdessen das Geld in den dunklen Kanälen der Eliten verschwindet. Langfristig aber destabilisieren die ungezügelten Herrschaftsweisen eines Karimows oder Nijsaows die rohstoffreiche Region zwischen Kaspischen Meer und chinesischer Grenze, von der Europa sich seine Energiesicherheit erhofft.
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