müller und die rag: Realpolitischer Visionär
Während er auf den Börsengang seines Konzerns wartet, hat RAG-Chef Werner Müller Zeit – genügend Zeit, um sich dem Tagesgeschäft zu widmen. Einmal wirbt er für den Erhalt der Steinkohle, dann fordert er ihr sozialverträgliches Ende. Zwischendurch knüpft er über seinen Freund Gerhard Schröder Kontakte zu Putins Gaskonzern und fordert den Neubau von Atomkraftwerken. Der Einzige, der den Überblick in diesem beabsichtigten Verwirrspiel behält, ist Werner Müller selbst.
KOMMENTAR VON HOLGER PAULER
Wer den Werdegang des Managers verfolgt, dürfte darüber wenig überrascht sein. Schon immer hat er versucht, Visionen und Pragmatismus miteinander zu verbinden. So war er maßgeblich daran beteiligt, dass sich der Veba-Konzern 1988 vom Bau der Wiederaufbearbeitungsanlage in Wackersdorf verabschiedet hatte – und auch zehn Jahre, als später die rot-grüne Bundesregierung den Atomausstieg beschloss, saß Müller mit am Verhandlungstisch. Er, der Befürworter der Atomkraft, hatte sich der Realpolitik gebeugt und seine persönliche Überzeugung hinten angestellt.
Derzeit bemüht er sich, aus dem ehemaligen Bergbaukonzern RAG einen „ganz normalen Konzern“ zu machen. Dass er dabei auf die Unterstützung der RAG-Anteilseigner Eon, RWE und ThyssenKrupp angewiesen ist, liegt auf der Hand. Die jüngsten Äußerungen Müllers pro Atomkraft dürften die Stimmung in den Führungsetagen der milliardenschweren Konzerne steigen lassen. Die Zustimmung zu den Börsenplänen rückt näher. Und die Öffnung Richtung Russland wird dem Konzern auf dem europäischen Energiemarkt auf lange Sicht zu Gute kommen. Wenn jetzt noch der Börsengang planmäßig über die Bühne geht, ist Werner Müller endgültig am Ziel seiner realpolitischen Visionen angekommen. Ob die Steinkohle dann noch auf der Agenda steht, hängt von den politischen Konstellationen ab. Zur Not wird Müller darauf verzichten. Auf die B-Note kommt es ihm eh nicht an.
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