: Kein Magazin neben mir
Aus für „Momo“: Der „Spiegel“ stoppt die Entwicklung eines eigenständigen Kulturhefts noch vor Nullnummer
Der Spiegel wird sich vorerst kein eigenständiges Kulturmagazin leisten. Wie gestern bekannt wurde, hat der neue Geschäftsführer des Spiegel-Verlages, Mario Frank, das Projekt Momo noch vor Fertigstellung der ersten Nullnummer gestoppt. Unter diesem Arbeitstitel sollte Ex-Tempo-Chef Markus Peichl einen Kulturableger des Mutterblattes entwickeln. Trotz „interessanter Ansätze der Entwicklungsredaktion“, so Verlagssprecherin Eva Wienke, werde das Projekt nicht weiter verfolgt: „Über weitere Entwicklungsprojekte soll erst entschieden werden, wenn die derzeit laufende Überprüfung der Wachstumsstrategie des Spiegel-Verlags abgeschlossen ist.“
Das Aus für Momo kommt nicht überraschend, denn mit Ablegern vom Mutterblatt – abgesehen von den Abo-Beilagen Kultur- und Unispiegel – tut man sich in Hamburg traditionell schwer. Nur zwei Jahre hielt sich das Reportage-Magazin Spiegel-Reporter; das bei Herausgeber-Sohn Jakob Augstein in Auftrag gegebene Kulturmagazin Adler schaffte es nicht über ein paar Nullnummern hinaus; und die Bemühungen um Übernahme der Kunstzeitschrift Monopol endeten auch im Nichts. Nun hat sich mit Momo die Halbwertszeit noch einmal halbiert.
Die Gründe für das jeweilige Scheitern der ehrgeizigen Projekte sind vielfältig. Das hochwertige Spiegel-Reporter rasselte 2000 mitten die Anzeigenkrise rein und wurde vor allem aus Kostengründen eingestellt. Bei Adler ist indes fraglich, ob es überhaupt jemals erscheinen sollte. Auch minder böse Zungen behaupten, das Projekt habe allein zur Ruhigstellung von Jakob Augstein gedient. Durch unrealistische Vorgaben wie eine angestrebte Auflage von 200.000 Exemplaren sei Adler zum Scheitern verurteilt gewesen – und neben dem Heft auch der ambitionierte Erbe mitsamt seinen Ansprüchen auf Mitsprache beim Spiegel abserviert.
Auch hinter Momo, so ist aus Hamburg zu hören, stand man nur halbherzig. Chefredakteur Stefan Aust gilt ohnehin als Skeptiker gegenüber jeder Art von Print-Ablegern, da er eine Kannibalisierung des Mutterblattes befürchtet. Und auch der langjährige Geschäftsführer Karl Dietrich Seikel hatte zu seinem Ausstand im Dezember betont, dass „unser größtes Engagement (…) natürlich dem Spiegel gelten“ müsse.
Neue Impulse versprach man sich indes von Seikel-Nachfolger Frank. Dass nun auch er ein Ablegerprojekt gestoppt hat, sagt wohl aber mehr über die Arbeit von Entwicklungschefredakteur Peichl als über Franks zukünftige Verlagsstrategie aus. Parallel zu Momo war Peichl noch mit der Fertigstellung der Tempo-Jubiläumsnummer beschäftigt – einer Arbeit, die sich weit über die dafür veranschlagten sechs Wochen hinauszog und unter der die Entwicklung von Momo wohl gelitten hat. Bei ersten Präsentationen im Verlag soll Peichl wenig mehr als vage Ideen für das Magazin parat gehabt haben.
Ob der Spiegel unter Stefan Aust noch einmal die Entwicklung eines neuen Print-Objekts wagen wird, ist nach diesem Flop zu bezweifeln. Sein Vertrag läuft noch bis 2010. Aber immerhin ist Zeit-Chef Giovanni di Lorenzo als sein Nachfolger im Gespräch – und der arbeitet momentan intensiv an einer Neuauflage des Zeit-Magazins. H. Pilarczyk
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