: Jukebox
Hiphop für diplomatische Vermittlungen
Es ist mal wieder so weit: Mit einem Bier in der Hand steht man auf irgendeiner WG-Party herum und betrachtet den Kleinkrieg um die Musikhoheit im tanzflächenbietenden Wohnzimmer. In den Beobachtern keimt schnell die Frage nach dem kleinsten gemeinsamen musikalischen Nenner der Partygemeinde auf. Den zu finden allerdings ist kein leichtes Vorhaben – vor allem dann nicht, wenn es um Hiphop-Musik geht. Hiphop heißt sich kloppen. Ob nordamerikanische Ost- gegen Westküste, ob Berlin gegen Hamburg oder eben die Dauerbesetzer der Stereoanlage gegen die, die „endlich mal was anderes“ hören wollen. Dabei gibt es schon seit 13 Jahren eine Hiphop-Platte, auf die sich selbst die zerstrittensten Musiknerds einigen können: Das 1994 erschienene Illmatic-Album von Nasir Jones alias Nas. Seither fehlt das Debüt des nordamerikanischen Rappers in keiner „Meine liebsten Platten des Jahrtausends“-Liste. Wo auch immer sie gespielt wird, intonieren die Anwesenden lautstark Textzeilen wie „ I’m out for presidents to represent me. Say what? I’m out for dead presidents to represent me.“ oder „Life’s a bitch and then you die, that’s why we get high, ’cause you never know when you’re gonna go.“
Geboren 1973 lebte Nas im New Yorker Ghetto der Queensbridge-Projects und wuchs mit dem Old-School-Hiphop von den Fat Boys, Afrika Bambaata und Eric B & Rakim auf. Als Anfang der 1990er Gruppen und Solokünstler wie Public Enemy, Wu-Tang-Clan, De la Soul, Snoop Dogg, Mobb Deep und Tupac Shakur den bisherigen Hiphop dank technisch verbesserter Produktionsmöglichkeiten zur New School reformierten, gehörte Nas dazu. Mit 21 Jahren veröffentlichte er sein Debütalbum Illmatic auf Columbia Records. Nas schneller, perfekt getimter und „flowender“ Rapstil in Kombination mit überwiegend langsamen Beats beeinflusste viele – auch anderssprachige – MCs der nachfolgenden Generation, wie zum Beispiel das Hamburger Ausnahmetalent Dendemann, wovon man sich morgen Abend im Postbahnhof live überzeugen kann. Bis heute gehört Illmatic – produziert von Pete Rock, DJ Premier und Large Professor – zu den meistverkauften Hiphop-Platten überhaupt.
Um erst gar nicht in eine scheinbar aussichtslose Situation wie eingangs geschildert zu geraten, sollte man Illmatic und damit fast 40 Minuten erfolgreiche diplomatische Vermittlung prophylaktisch stets bei sich tragen. Veronika Wallner
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