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„Wir haben ein jüdisches Getto geschaffen“

ISRAEL Durch die vollständige Trennung von Palästinensern und Israelis kenne die Gesellschaft nichts als Feinde, sagt der Schriftsteller Nir Baram. Den Teufelskreis immer neuer Militäraktionen werde nur der Kampf gegen Rassismus durchbrechen

JERUSALEM/BERLIN afp/ap/taz | Bei ihrer Offensive gegen die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen hat die israelische Armee erstmals kurzzeitig Bodentruppen eingesetzt. Ein Elitekommando der Marine sei in der Nacht zum Sonntag in den Norden des Palästinensergebiets eingedrungen und habe eine Raketenstellung der Hamas angegriffen, berichtete der israelische Rundfunk.

Der bewaffnete Arm der Hamas, die Issidin-al-Kassam-Brigaden, teilte mit, dass ein israelisches Kommando versucht habe, am Sudanstrand an Land zu gehen. Dabei habe es Feuergefechte mit palästinensischen Kämpfern gegeben. Ein israelischer Armeesprecher teilte mit, vier Soldaten seien leicht verletzt worden. Insgesamt wurden in den vergangenen Tagen in dem Konflikt 174 Palästinenser getötet und etwa 1.100 weitere verletzt.

Die Bewohner einer Kleinstadt im Norden des Gazastreifens wurden am Sonntag zur Flucht aufgefordert. Die Armee plante, „die terroristische Infrastruktur zu zerstören“. „Diese Operation wird zeitlich begrenzt sein, wer sich nicht an unsere Anweisungen hält, gefährdet sein Leben und das seiner Familie“, erläuterte ein Sprecher. Laut einem Bericht des Militärradios waren „Angriffe in bisher nicht gekanntem Ausmaß geplant“.

Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte bei dem Treffen des israelischen Kabinetts am Sonntag: „Wir wissen nicht, wann die Operation enden wird. Sie könnte lange Zeit dauern.“ Unterdessen gibt es internationale Bemühungen zur Beendigung der Gewalt. Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Großbritannien und der USA wollten am Sonntag in Wien am Rande der Atomgespräche mit Iran über den Konflikt sprechen. „Es ist dringend nötig, die Gewalt zu beenden und den Waffenstillstand vom November 2012 wiederherzustellen“, sagte der britische Ressortchef William Hague.

Die italienische Außenministerin Federica Mogherini, deren Land derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, reist am Dienstag nach Israel, wie ihr Ministerium am Sonntag in Rom mitteilte. Dort werde sie Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu treffen. Auch ein Gespräch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sei geplant.

In Deutschland demonstrierten am Wochenende Tausende Menschen in mehreren Städten gegen die Besatzungspolitik Israels und die Angriffe auf den Gazastreifen. An der Demo in Frankfurt beteiligten sich etwa 2.000 Menschen.

Der israelische Schriftsteller Nir Baram vergleicht im taz-Interview die jetzige Lage mit der Situation im Jahre 2012: „Ich sehe diesmal keine Euphorie darüber, dass die Armee Ziele in Gaza bombardiert. Und ich sehe keine Glorifizierung der Soldaten. Die israelische Gesellschaft wird müde. Und sie ist enttäuscht. Ihr wird vor jeder Militäroperation versprochen, danach werde alles besser sein als vorher. Doch auf jede Operation folgt die nächste.“ BS

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