: Atomkraftgegner setzen auf die Landtagswahlen
BEWEGUNG Obwohl die meisten Entscheidungen 2010 fielen, gibt’s auch 2011 Protestpotenzial
Tobias Münchmeyer, Greenpeace
LUBMIN taz | Der jüngste Castor-Transport ins Zwischenlager bei Lubmin war für viele Atomkraftgegner Auftaktveranstaltung zu einem neuen Protestjahr. 2010 hatte die Laufzeitverlängerung die Anti-Atom-Bewegung mobilisiert und verjüngt: Zehntausende protestierten bei Demonstrationen in Berlin, im Wendland und auch schon in Greifswald und Lubmin. Politisch, so glauben die Atomkraftgegner, wird es in diesem Jahr schwieriger.
„In Berlin sind jetzt alle Entscheidungen getroffen“, meint Jochen Stay von der Anti-Atom-Initiative Ausgestrahlt. Allerdings bedeuteten die beschlossenen Laufzeitverlängerungen, dass es neue Sicherheitsauflagen geben müsse. Vielleicht werde sich manches Atomkraftwerk damit nicht mehr rechnen. Bei den Pannenreaktoren des Energiekonzerns Vattenfall in Brunsbüttel und Krümmel sieht Stay schon jetzt „gute Chancen, dass beide nicht mehr ans Netz gehen“. Ihnen müsse die Kieler Landesregierung eigentlich ohnehin die Genehmigung versagen.
Überhaupt, so Stay, lohne es sich, Druck auf Landesregierungen zu machen – vor allem auf die bisher atomfreundliche baden-württembergische.
Für den 12. März rufen die Initiativen deshalb im Vorfeld der Landtagswahl zu einer Menschenkette von Neckarwestheim nach Stuttgart auf. Auch zum 25. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe soll es Proteste an allen Atomstandorten geben.
Greenpeace-Energieexperte Tobias Münchmeyer sieht ebenfalls die anstehenden Landtagswahlen als entscheidenden politischen Hebel. Vor allem im „Hardcore-Pro-Atom-Land“ Baden-Württemberg mit vier Atomkraftwerken und seiner eigenen Aktienmehrheit am EnBW-Konzern sei ein Regierungswechsel möglich. Zudem würden die Parteien 2011 wohl auch schon ihre Positionen für die nächste Bundestagswahl festlegen, 2012 beginne schließlich schon der Vorwahlkampf. Interessant sei hier die Positionierung zur Endlagerfrage.
Die Landtagswahl in Baden-Württemberg könnte für die Bundesregierung auch der Termin sein, den sie abwartet, um doch noch zu versuchen, Atommüll aus dem DDR-Reaktor Rossendorf ins russische Maiak zu transportieren, spekuliert Münchmeyer. Schließlich sei die zuletzt von CDU-Bundesumweltminister Norbert Röttgen verweigerte Zustimmung zum Transport eher „fadenscheinig begründet“ – nämlich damit, dass die Wiederaufarbeitungsanlage Maiak zurzeit nicht in Betrieb sei. Dabei gehe gerade von deren Betrieb die größte Gefahr für Menschen und Umwelt aus.
Greenpeace hat außerdem Anfang Februar Klage gegen die Laufzeitverlängerungen beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Münchmeyer betont, dass unklar sei, wann die Karlsruher Richter entscheiden. Man gehe von anderthalb bis drei Jahren aus.
Nicht zuletzt rechnen Stay und Münchmeyer fest mit dem nächsten Atommüll-Transport nach Gorleben, diesmal im November aus dem französischen La Hague. Immerhin: „Das ist der letzte Transport von dort“, so Stay. JAN MICHAEL IHL
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