: Ein Banker soll Rußland flottmachen
Das Moskauer Personalkarussel steht still: Erster Vizepremier der neuen Regierung wird ein Bankenchef. Für Tschetschenien ist General Alexander Lebed zuständig ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath
Die Regierungsbildung in Moskau ist abgeschlossen. Die Ministerien für Innen, Außen, Wirtschaft und Verteidigung führen die amtierenden Minister weiter, die Präsident Boris Jelzin zum Teil erst im Laufe dieses Jahres neu eingesetzt hatte. Als wichtigste Neuerung wird die Enennung Wladimir Potanins gewertet, der in der Funktion des ersten stellvertretenden Premierministers die Bereiche Wirtschaft und Finanzen überwachen soll. Der Ökonom leitete bisher die Uneximbank, eines der fünf größten Unternehmen Rußlands. Ihm wird nachgesagt, daß er neben einer ausgeprägten Marktpsychologie ein äußerst waches Gespür für „Profitabilität“ mitbringt. Um Mutmaßungen entgegenzutreten, als neuer Vize würde er nur die Interessen der Finanzwelt vertreten, versicherte Potanin, sein Augenmerk den Problemen inländischer Produzenten zu widmen.
Aus der direkten Umgebung des Präsidenten in die Regierung wechselte Jelzins rechte Hand, Chefberater Wiktor Iljuschin, dem ebenfalls der Posten eines ersten stellvertretenden Vizepremiers angetragen wurde. Er soll sich um Sozialpolitik kümmern. Insgesamt umfaßt die Regierung nun drei erste und sieben stellvertrende Vizepremiers. Die gesamte Regierungsmannschaft, so war geplant, soll von 80 auf 60 Ministerposten abspecken. Bisher folgte der Regierungsaufbau noch den Gepflogenheiten der sowjetischen Exekutive, die selbst für Detailbereiche eigene Ministerien schuf.
Der ehemalige Wirtschaftsberater in der Jelzin-Administration, Alexander Liwschitz, wurde auch zum Vizepremier und wird die Funktion des Finanzministers wahrnehmen. Die kommunistische Opposition wurde mit keinem neuen Posten bedacht. Allerdings behielten der kommunistische Justizminister Walentin Kowaljow und der stellvertretende Vize Alexander Zawerucha aus der Agrarpartei ihre Sessel.
Unterdessen reiste Jelzins Sonderbeauftragter für Tschetschenien, Alexander Lebed, in den Kaukasus, um die Friedensverhandlungen voranzubringen. Wider Erwarten hatte der Präsident nach anfänglichem Zögern dem General weitreichende Vollmachten per Ukas übertragen. Seit gestern fällt der Kaukauskonflikt in den Aufgabenbereich des Sicherheitsrates, dem Lebed vorsitzt. Gleichzeitig löste Jelzin die Regierungskommission auf, die sich bisher damit beschäftigt hatte. Es wird gemunkelt, Jelzins Bürochef, der Reformer Anatolij Tschubais habe dem Präsidenten abgeraten, den General a. D. mit zusätzlichen Sonderrechten auszustatten. Im Kreml wird befürchtet, ein Friedensschluß könnte Lebed zum einflußreichsten Politiker befördern.
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