■ Nachschlag: Star Trek auf sozialdemokratisch: Eine Diskussion im Brandt-Hause
Vom „Mythos Star Trek“ läßt sich trefflich profitieren. Die amerikanische TV-Serie mit inzwischen 30jähriger Geschichte läßt sich schließlich durch so ziemlich jede gesellschaftliche Gruppierung instrumentalisieren. Warum nicht auch durch die Jusos? So dachte sich das wohl das Wissenschaftsforum der Sozialdemokratie (“Das gibt es wirklich“) und lud gemeinsam mit dem S. Fischer Verlag am Mittwoch abend zur Podiumsdiskussion „Star Trek – Science Ficton, Utopie, Zukunftsgestaltung“ ins Willi-Brandt-Haus. Anlaß für das Beisammensein war ein neues Taschenbuch mit dem wahnsinnig originellen wie vielversprechenden Titel „Unendliche Weiten... – Star Trek zwischen Unterhaltung und Utopie“.
Auf dem Podium saßen (mit den beiden Herausgebern Kai-Uwe Hellmann und Arne Klein, einem Vorzeige-Trekkie, und dem Lektor Oliver Domzalski) nicht nur vier schlechtgekleidete Buch-Promoter, sondern auch die Juso-Vorsitzende, bekennende (Schmalspur)-Trekkerin und Optimismuskönigin Andrea Nahles. Tongue in cheek buhlte die Zukunftsgestalterin mit irgendeinem kindischen Juso-Antrag (“Beam-Technik statt Transrapid“) um die Gunst der rund 100 Gäste und versuchte, wann immer sie zu Wort kam, Star Trek auf sozialdemokratische Grundwerte und bundesdeutsche Dauerpolitika wie „Arbeitslosigkeit“, „Zukunftssicherung“ und „Energieressourcen“ zurechtzureden. Nach gut 45 Minuten zwischen Agitation und Akademikertum durfte dann das trekkiedurchsetzte Publikum die Veranstaltung in üblicher Trekkiemanier an sich reißen: Beginnend mit der nur bedingt sachdienlichen Frage „Haben Sie schon mal den musikalischen Aspekt von Star Trek untersucht?“ führte der Zuhörerdiskurs über Bonanza, Fin de siècle, Kleingärten und US-amerikanische Vietnambewältigung in die abgelegenen Idiogalaxien des „fandom“-Universums, bis schließlich der unvermeidliche Quotenquerulant startrekbegeisterte Sozialdemokratie gegen das durch und durch „humanistische Raumschiff Orion“ auszuspielen versuchte, was nicht nur kräftig polarisierte, sondern – „Ich laß mich doch hier nicht beleidigen!“ – in Pöbeleien entgleiste. Und Star-Gast Nahles ließ sich zu dem Glaubensbekenntnis hinreißen, „daß sich Star Trek tierisch unterscheidet von Sachen, die es sonst so im Medienbereich gibt“, bevor sie, trotz des für alle Anwesenden beschämenden PR-Versuchs, trotz des Blicks in die Tiefen mitmenschlichen Alltagswahnsinns, auf ihrem Postulat vom „positiven Menschenbild“ beharrte. Christoph Schultheis
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