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Du dunkle Stadt am Meer

Matti Geschonneck veredelt den Standardkrimi „Die Tote vom Deich“ (20.15 Uhr, ZDF) zum düsteren Watt-Thriller

An der Küste oben im Norden trinken die Menschen Korn und Bier. Oder Tee. Sie sind abweisend und fast so stumm wie Fische. Das Klischee findet hier reichlich Verwendung. Auch manche Textzeile lässt sich erahnen. Wenn der barsche Pastor etwa gefragt wird, ob er letztes Wochenende in der Kirche gewesen sei, kann die Antwort nur lauten: „Ich bin immer hier.“

In der Gegend gewesen ist auch der Mörder Manuel Bove (Martin Wuttke). Die junge Frau, mit der er zuletzt eine Affäre hatte, liegt tot im Watt. Während die seit einem Jahr hinter Bove herhetzende BKA-Fahnderin Lona Vogt (Christiane Paul) vor Ort ermittelt, spüren ihn Beamte auf St. Pauli auf. Er erschießt Vogts Kollegen, zugleich ihr Liebhaber, leugnet nach der Festnahme aber den Mord in Husum.

Der Fahnderin wird gute Arbeit bescheinigt, dennoch schickt sie ihr Vorgesetzter in Erholungsurlaub. Regeneration ist gut, Recherche besser, denkt sich die Ruhelose – und fährt zurück nach Husum. Dort nämlich, verriet ihr Bove unter vier Augen, soll die im Watt gefundene Frau nach einer vor 20 Jahren verschwundenen Internatsschülerin gesucht haben. Wartet noch ein Mord auf seine Aufklärung?

Regisseur Matti Geschonneck, dessen gelungene Romanverfilmung „Mord am Meer“ (2005) zu einem kleinen Teil bei Husum spielt, wollte dort unbedingt einen ganzen Thriller drehen – auch als Hommage an Theodor Storm und dessen die raue Landschaft beschreibende Dichtkunst. Nun steckt in Sönke Lars Neuwöhner leider kein moderner Storm. Sein Drehbuch bietet nur durchschnittliche Fernsehfiktion. Doch was Geschonneck daraus gemacht hat, kann sich sehen lassen.

Ein Großteil der Szenen spielt bei Nacht, am Tag sind auffallend oft die Jalousien heruntergelassen. Die Menschen scheinen sich vor Helligkeit schützen zu müssen, könnte sie doch Licht in ihre dunklen Geheimnisse bringen. Kameramann Martin Langer („Sophie Scholl“) hat diese bedrückende Atmosphäre prächtig eingefangen. Um Düsternis bemüht sind auch die Sequenzen, in denen die BKA-Frau Mörder Bove in der U-Haft aufsucht. Nicht nur die nackten Steinwände erinnern an „Das Schweigen der Lämmer“. Wie seinerzeit Hannibal Lecter ist auch Bove um psychische Nähe zur Kontrahentin bemüht – um ihr dann den rechten Weg zu weisen.

Eine schöne Nebenrolle hat Devid Striesow. Dessen kantiger Lars Frick, angestellt im Storm-Museum, passt bestens in die Landschaft. Erst ist er nett zu Vogt, dann herrscht er sie an: „Man fragt die Menschen hier nicht nach anderen Leuten aus.“ So zeigt sich, dass manche Küstenbewohner nur aus einem Grund abweisend sind: Sie haben was zu verbergen.

UWE FELGENHAUER

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